442 G. Vergeltungsmaßregeln.
6. Bendix, Leipz#. 15 1577. Die Anmeldepflicht der Anwälte und Notare steht
in unlöslichem Widerspruch zu ihrer Schweigepflicht, so daß also die Erfüllung der Anmelde.
pflicht immer zugleich eine Verletzung der Schweigepflicht enthält und eine Bestrafun
nach § 300 St GB. nach sich ziehen muß, wenn der erforderliche Strafantrag rechtzeii
gestellt wird.
Wie ist aus diesem Konflikt praktisch herauszukommen? Zunächst könnte man daran
denken, daß nur die Offenbarung von Privatgeheimnissen durch § 300 verboten ist, und daß
vielleicht das Vorliegen eines Privatgeheimnisses verneint werden muß, wenn der An-
meldestelle die anvertrauten Tatsachen schon anderweitig bekannt geworden sind. Das
wird in den die Regel bildenden Fällen der Art. 3, 4 Ausf VO der Fall sein, weil danach
die Schuldner, die Leiter und die Geschäftsführer als anmeldepflichtig erklärt sind. Wenn
demnach die Ansprüche des feindlichen Staatsangehörigen gegen die hiesigen Schuldner
und Unternehmen Gegenstand der Verwaltung oder Verwahrung des Anwalts sind, so
wird er gut tun, sich mit ihnen ins Benehmen zu setzen, damit sie mit der Erfüllung ihrer
Anmeldepflicht ihm vorangehen. Denn dann wird von einem Privatgeheimnis nicht mehr
gesprochen werden können, wenn der Anwalt oder Notar nachher die Anmeldepflicht erfüllt.
Es käme de lege kerenda auch in Betracht, daß die amtlichen Stellen (Gerichte, Ver-
waltungsbehörden) anmeldepflichtig sein sollten, bei denen die feindlichen Vermögens-
werte „anhängig“" oder bekannt sind.
Ein anderer, künftig ins Auge zu fassender Weg wird sein, daß der Anwalt oder
Notar bei oder nach der Annahme des Auftrages sich ausdrücklich von der Schweigepflicht
für den Fall entbinden läßt, daß ihm durch gesetzliche Vorschriften eine Offenbarungs=
pflicht auferlegt wird. Die Lieferer der Formulare sollten eine solche Stelle in die Voll.
machten aufnehmen.
Wenn diese Wege nicht gangbar sind, so muß sich der Anwalt oder Notar entscheiden,
welche Schuld er in dem Konflikt auf sich nehmen will. Die Entscheidung hängt davon
ab, welche Pflicht für die höhere gehalten wird; sie kann zurzeit, abgesehen von ganz be-
sonders gelagerten Fällen, die hier außer Betracht bleiben können, nicht zweifelhaft sein,
da das öffentliche Interesse an der Anmeldung das private Interesse an der Geheimhaltung
bei weitem überwiegt. Es ist allerdings bestimmt zu erwarten, daß die Bestrafungen aus
ʒ 300, mit denen nach der hier vertretenen Ansicht gerechnet werden muß, möglichst milde
ausfallen werden.
Zu fordern ist aber eine neue gesetzliche Vorschrift, nach der eine Bestrafung aus
§300 nicht erfolgt, wenn eine Person aus den dort aufgezählten Berufskreisen die ihr an-
vertrauten Privatgeheimnisse in Befolgung einer gesetzlichen Vorschrift offenbart.
. Schulz, JW. 15 1465, 16 32. Eine Bestrafung des Rechtsanwalts, der seine
Anmeldepflicht erfüllt, aus § 300 Ste# B. ist ausgeschlossen. Da die VO. im §82 Abs. 2
ausdrücklich von „jedermann“ spricht, so kann in der Ausübung der Anmeldepflicht von
einem unbefugten widerrechtlichen Offenbaren eines Privatgeheimnisses keine Rede sein.
Dies gilt um so mehr, als die Anmeldung im Hinblick auf §8 3 VO. nur eine begrenzte
„Offenbarung“ darstellt.
S. v Liszt, IW. 16 155. Von einer Bestrafung auf Grund des § 300 StGB. kann
gar keine Rede sein, da die von der VO. vorgeschriebene Anwendung die Offenbarung
zu einer nicht unbefugten macht.
3. Befreiung von der Anmeldepflicht.
a) Bernstein a. a. O. 1321. Die Anmeldepflicht entfällt für solche deutsche Kriegs-
teilnehmer und Zivilpersonen, die im Inlande weder Wohnsitz noch Aufenthal!
haben; für den Kaiser und die anderen deutschen Bundesfürsten im Hinblic
auf ihre Stellung als Souveräne, nicht aber für die Mitglieder der bundesfürsülche
Familien; für die ausländischen Staatsangehörigen, welche nach völkerrechtlichen Grund-
sätzen das Recht der Exterritorialität genießen.
b) Bernstein a. a. O. 1320. Maßgebend für die Befreiung nach Art. 8 AussVS