Bek. betr. Veräußer. v. Kauffahrteischiffen an Reichsangehörige v. 21. Oktober 1915. 461
§3. Der Reichskanzler kann Ausnahmen von dem Verbote des § 1 zulassen.
§ 4. Diese Verordnung tritt mit dem Tage der Verkündung in Kraft.
Der Reichskanzler bestimmt, wann und in welchem Umfang diese Verordnung
außer Kraft tritt
Begründung. (D. N. VI 96.)
Die Deräußerung deutscher Kauffahrteischiffe nach dem neutralen Aus-
lande während der Dauer des Krieges liegt nicht im Reichsinteresse. Einerseits könnten
durch den dadurch verfügbar werdenden Schiffsraum die augenblicklichen Schwierig-
teiten des Überseehandels erleichtert und die jetzt sehr hohen Frachtraten gedrückt werden;
hiervon würden in erster Linie die mit Deutschland im Krieg befindlichen Staaten
porteil haben, die zur Seit unter dem Mangel an Schiffsraum und unter den hohen
krachtraten leiten. Andererseits würde, insbesondere wenn der Derkauf einer größeren
Anzahl von Schiffen nach dem Auslande stattfände, nach Friedensschluß ein Mangel
an deutschem Schiffsraum eintreten, der unserem Handel und unserem Wirtschafts-
leben abträglich sein würde. Wenngleich sich bisher die Sahl der nach dem neutralen
Auslande verkauften Kauffahrteischiffe in mäßigen Grenzen gehalten hat, so ist der
Anreiz hierzu durch die immer noch steigenden Schiffspreise verstärkt worden. Durch
eine Bekanntmachung vom 21. Oktober 1015 (Rßl. 685) ist deshalb die Der-
äußerung von lauffahrteischiffen an Tichtreichsangelörige verboten worden. Die
Zekanntmachung trifft alle Rechtsgeschäfte, durch die das Eigentum an Kauffahrtei-
schiffen ganz oder teilweise an Tichtreichsangehörige übertragen werden soll. Das
gleiche gilt für Kauffahrteischiffe, die sich für Rechnung eines Reichsangehörigen im Zau
befinden. Die Suwiderhandlung ist strafbar, auch wenn ein Deutscher sie im Auslande
begeht. Um etwaige im ZReichsinteresse unbedenkliche Derkäufe zu ermöglichen, ist
dem Beichskanzler die Zefugnis vorbehalten, Ausnahmen von dem Derbote zuzulassen.
Deutsche Tageszeitung vom 22. Februar 1916 Nr. 7:
Bereits im Oktober v. J. hatte der Bundesrat eine Verordnung erlassen, durch die
die Veräußerung deutscher Kauffahrteischiffe an Nichtreichsangehörige verboten wurde. Das
Verbot betrifft auch Schiffe, die sich für Rechnung eines Reichsangehörigen im Bau be-
finden. Diese Verordnung ist nunmehr durch eine neue Bekanntmachung des Bundesrats
in zweifacher Weise erweitert worden. Einmal ist das Verkaufsverbot erstreckt auch auf
Schiffe, die für Rechnung eines Nichtreichsangehörigen deutschen Werften in Bau gegeben
werden. Maßgebend hierfür war die Erwägung, daß das Interesse des Reiches es erfordert,
alle auf unseren Werften zur Verfügung stehenden Bauplätze ausschließlich der deutschen
Reederei vorzubehalten. Unsere Werften sind zurzeit stark in Anspruch genommen, und
leilweise wurden noch im vergangenen Jahre Aufträge für ausländische Besteller ausgeführt.
Außerdem aber ist durch die neue Verordnung verboten worden, Miet= oder Fracht-
verträge abzuschließen, durch die zusammen mehr als ein Drittel des Schiffsraumes in
Anspruch genommen wird, soweit die Beförderung nicht ausschließlich von und nach
deutschen Häfen erfolgen soll. Es muß verhindert werden, daß eine Vergebung deutschen
Schifsraums an ausländische Verfrachter zu einer Beeinträchtigung unseres Handels und
unserer Rohstoffversorgung führt. Aus diesem Grunde war eine Beschränkung der deutschen
Reeder im Verfügungsrecht über ihre Tonnage geboten. Dieses Verbot bezieht sich nicht
auf Schiffe mit einem Raumgehalt bis zu 500 Registertons. Man hat also nicht nur die
Schiffe des überseeischen, sondern auch des europäischen Verkehrs in das Verbot einbezogen.
Die Bundesratsverordnung vom Oktober v. J. ermächtigte die Reichsregierung, Ausnahmen
von dem Verbot zuzulassen. Als eine solche Ausnahme ist anzusehen, wenn bis auf weiteres
die niederländischen und belgischen Häfen den inländischen gleichgestellt
werden. Infolgedessen ist auch der Verkehr deutscher Schiffe zwischen skandinavischen
und niederländischen Häfen von der Verbotsvorschrift befreit.