Bekanntmachung zur Entlastung der Gerichte vom 9. September 1915. 471
Gesetzgebers über diese Frage zu ermitteln. Jedenfalls ist die Anwendung des Gesetzes
durch den Bundesrat eine sehr weitgehende gewesen, und das mit Recht. Es handelt sich
um ein Gebiet, auf dem für Erörterungen über engere und weitere Auslegung und rein
begriffliche Unterscheidungen kein Raum ist. Eine harte Zeit verlangt ein festes, auf die
großen Ziele gerichtetes Durchgreifen. Die Rechte des Reichstags sind durch die Vorschrift
des Abs. 2 zur Genüge gewahrt. Goldfeld freilich erachtet dies nicht für ausreichend.
Er verlangt, daß der Bundesrat die seine Zuständigkeit überschreitende Verordnung zurück-
ziehe und auf dem ordnungsmäßigen Wege dem Reichstag eine entsprechende Vorlage
zur verfassungsmäßigen Mitgenehmigung zugehen lasse. Andernfalls werde die Verord-
nung, statt dem Wirtschaftsleben zu nützen, eine heillose Verwirrung anrichten. Aber die
Befürchtung Goldfelds, die zur Prüfung der Rechtswirksamkeit der Verordnung berufenen
Gerichte würden mindestens zum Teil alle oder einzelne ihrer Bestimmungen nicht für
rechtsgültig halten und deshalb nicht anwenden, ist kaum gerechtfertigt. Würde die Nach-
prüfung der Gerichte zu jenem Ergebnisse kommen, so würde die große Zeit ein kleines
Richtergeschlecht gefunden haben. Diese Besorgnis braucht man nicht zu hegen. Macht
übtigens der Reichstag, wie anzunehmen, von seinem Aufhebungsrechte keinen Gebrauch,
so steht die Rechtswirksamkeit der Verordnung auch in formeller Beziehung ein für alle-
mal fest.
Mahnverfahren vor den Landgerichten.
Begründung.
Aotwendiges Mahnverfahren.
Der Entwurf erachtet es nicht für ratsam, das Mahnverfahren in der Weise aus-
zugestalten, daß Ansprüche, die nach 88 688 ff. 5DO. im Mahnverfahren verfolgt werden
können, ohne Rücksicht auf den Zetrag zunächst in diesem Derfahren geltend gemacht
werden müssen. Denn eine solche Regelung würde zwar gesetzestechnisch einfach er-
scheinen, in ihren Folgen aber tiefer in die Ordnung der Rechtspflege eingreifen, als
zur Entlastung der Gerichte notwendig ist. Dor allem würde ein Swang zur vorgängigen
Beschreitung des Mahnverfahrens, wie solches in der geltenden GSivilprozeßordnung
geregelt ist, dazu führen, daß ein großer Teil der Rechtsstreitigkeiten, die jetzt mit Rück-
sicht auf den Wert des Streitgegenstandes bei dem Landgericht anhängig gemacht und
dort durch Rechtsanwälte vorbereitet und verbandelt werden müssen, einem Der-
fahren zugewiesen würde, in dem ein Anwaltszwang nicht besteht. Die sich hieraus
ergebenden Bedenken fallen um so mehr ins Gewicht, als bei landgerichtlichen An-
sprüchen neben der zu erwartenden weitgebenden Ausschaltung der Rechtsanwaltschaft,
wegen der notwendigen Derweisung des ZRechtsstreits vom Amtsgericht an das Land-
gericht (§J 607. SD.), eine nicht unbeträchtliche Derzögerung der streitigen Sachen
eintreten würde.
Der Entwurf sieht deshalb einen unmittelbaren Swang zur vorgängigen Be-
schreitung des Mahnverfahrens nur für die zur Suständigkeit der Amtsgerichte ge-
hörenden Ansprüche vor (5 15) und führt für die zur Suständigkeit der Landgerichte
gehörenden Sachen statt dessen ein besonderes landgerichtliches Mahnverfahren ein
68 112).
Mahnverfahren vor den TLandgerichten (§8 1—12).
Die Regelung, die der Entwurf für das landgerichtliche Mahnverfahren vorsieht,
ist den Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das landgerichtliche Mahnverfahren
(6 6ssff.) nachgebildet. Das landgerichtliche Mahnverfahren ist nach den Vorschlägen
des Entwurfs aber nicht wie das amtsgerichtliche Mahnverfahren als ein dem ordent-
lichen Derfahren gewissermaßen vorgelagertes besonderes Derfahren anzusehen, der
Entwurf beschränkt sich vielmehr auf gewisse Anderungen für das ordentliche land-
Lerichtliche Derfahren. Das Wesen der Meuerungen ist darin zu erblicken, daß die Rechts-