506 K. Die Entlastung der Gerichte.
II. Beurteilung.
1. Aus dem Gesichtspunkt der wirtschaftlichen Tragweite.
a) v. Miltner a. a. O. 1272. Unausgesprochen kann nicht bleiben, daß die VO.
sowohl in ihrer Gesamtwirkung, als vermöge einzelner ihrer Vorschriften, z. B. des § 19,
auf eine Schmälerung der Gebühreneinnahmen der Rechtsanwälte hinauslaufen muß.
Es ist zu bedauern, daß es der VO. anscheinend nicht möglich war, auch in Ansehung der
Rechtsanwaltsgebühren den Gesichtspunkt der Abhilfe wirtschaftlicher Schädigung vor-
walten zu lassen.
b) Kaufmann a. a. O. 1238. Der Anwalt wird verdrängt durch den Kon-
sulenten, obwohl dieser in vielen Fällen kaum billiger sein wird. Das Be-
denklichste aber: Der Klient, der sich wegen der Sachen bis zu 50 M. dem Konsulenten
zugewendet hat, wird ihm auch die größeren Amtsgerichtssachen übertragen. Er wird
sich vom Anwalt entwöhnen.
Wc) Levin, D3. 15 970/71. Es ist zu befürchten, daß die Verteuerung des Mahn-
verfahrens vor dem AG. den Gläubiger überhaupt davon abschrecken wird, sich an einen
Anwalt zu wenden, und daß er, für die Abfassung des Mahngesuchs die Hilfe eines Rechts-
konsulenten in Anspruch nimmt. Wenn dann, wie das von vielen Gerichten geschieht,
dem Rechtskonsulenten einen Teil der Gebühren des Anwalts, in Groß-Berlin sogar 50%
im Mahnverfahren auf Grund § 91 Abs. 1 als angemessen zugebilligt wird, so ist eine nicht
unbeträchtliche Verringerung der Anwaltseinnahmen zugunsten der Rechtskonsulenten
mit Sicherheit vorauszusehen. Eine künftige Zivilprozeßreform wird diese Kostenfragen
und die Ausgestaltung des § 157 8 PO einer besonders sorgfältigen Nachprüfung zu unter-
ziehen haben; ebenso Gruchots Beitr. 60 21 unter ausführlicher Erörterung der Frage der
Laienvertretung; wie Levin, Stölzle, JW. 15 1403ff., 16 41 ff., Cahn a. a. O. 55ff.
d) Kaufmann a. a. O. 1238. Das Publikum wird sich in der Folge den Rechtskon-
sulenten zuwenden, die — im Gegensatz zum Anwalt — in der angenehmen Lage sind,
dem Klienten lediglich den Betrag in Rechnung zu stellen, den das Gericht als erstattungs-
fähig festsetzt. Der Konsulent kann seinem Auftraggeber sagen: Wenn du den Prozeß
gewinnst, kostet dich meine Vertretung nichts, während umgekehrt der Anwalt den Klienten
darauf aufmerksam machen muß, daß er selbst im Falle des Obsiegens die Anwaltskosten
selbst tragen muß.
e) Klotzsch, JW. 15 1221. Wahrscheinlich wird der Erfolg des § 19 der sein, daß
rechtsunkundige Parteien sich an Winkeladvokaten wenden und durch die von diesen ge-
fertigten rechtlich wie tatsächlich mangelhaften Schriftsätze nicht eine Ent-, sondern eine
Belastung der Gerichte eintritt.
#) A. M. Trendelenburg, JW. 15 1069. Eine Gefahr, daß infolge der Beseitigung
der unbedingten Erstattungsfähigkeit der Anwaltskosten künftig die Bearbeitung gering-
fügiger Streitsachen aus den Händen der Rechtsanwälte in die Hände von Konsulenten
übergehen wird, dürfte nicht vorliegen. Die Verordnung ändert nichts an der grundsätz-
lichen Stellung, welche die Gesetzgebung den nicht zugelassenen Konsulenten gegenüber
einnimmt. #
8) Kaufmann a. a. O. 1238. Der § 19 wird zweifellos die Folge haben, daß eine
große Anzahl von Sachen bis 50 M. „anwaltlos“ wird. Immerhin wird eine Reihe von
Personen übrigbleiben, bei denen wenigstens eine Partei von einem Anwalt vertreten it.
Vor allem wohlhabende Parteien werden sich den „Luxus“ eines Anwalts ohne die Aus-
sicht auf Erstattung der Kosten gestatten. Die Dienstherrschaft wird nach wie vor einen
Anwalt annehmen, das arme Dienstmädchen kann es nicht. Hier zeigt sich der bedenklich
antisoziale Zug der Neuerung. 4
h) Levin, GruchotsBeitr. 60 26. Man kann im allgemeinen den Kostengrundsaß
des 3 91 Abs. 1 8 PO., wonach der unterliegende Teil schlechthin ohne Rücksicht au Ver-
schulden oder Böswilligkeit die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat, billigen und in
Vorschriften, die auf poenae temere litigantium hinweisen, einen Rückschritt erblicken.