Full text: Kriegsbuch. Fünfter Band. (5)

Bet. über die Geltendmachung von Hypotheken, Grundschulden usw. v. 8. Juni 1916. 99 
V. Die Entscheidung über den Antrag. 
1. Nußbaum a. a. O. 1089. Es empfiehlt sich dringend, daß die Gerichte vor der 
Entscheidung ein Gutachten des Hypothekeneinigungsamts einholen. Freilich wird es 
oft schwierig sein, nach dem Schluß der Versteigerung noch ein Gutachten des Einigungs- 
amts zu erlangen, da der Verkündungstermin nicht über eine Woche hinaus anberaumt 
werden darf (587 Abs. 2 3 VG.). Aber das Gutachten kann auch vorher eingezogen werden. 
Denn wenngleich die Frage der Zuschlagsversagung formell erst nach Schluß der Ver- 
steigerung entsteht, so ist sie doch materiell schon vorher vorhanden, nämlich überall da, 
wo der zweite Hypothekar, der innerhalb der Dreiviertelgrenze steht, einem notgedrungenen 
Erwerb des Grundstücks enigehen möchte. Die Frage an das Einigungsamt würde dann 
dahin zu lauten haben, ob die Versagung des Zuschlags befürwortet wird, wenn der An- 
spruch des betreffenden Hypothekars durch das Meistgebot nicht gedeckt werden sollte. 
2. Scholz a. a. O. 1087. Das freie Ermessen des Richters (zu vgl. in Bd. 1, 389, 
bedeutet keine Willkür, sondern die sachgemäße Abwägung der Interessen der Beteiligten 
Anders als im Zahlungsfristenrecht, wo der Richter nur die Interessen des Schuldners 
und desjenigen Gläubigers, demgegenüber die Frist erbeten wird, zu berücksichtigen hat, 
lönnen hier die Interessen auch dritter Gläubiger berücksichtigt werden. Dies gilt ins- 
besondere von einem Zwischenhypothekar, dessen Lage, wenn dem Antrage des dritlen 
Hypothekars auf Zuschlagsversagung stattgegeben wird, durch das Anschwellen der „laufen- 
den“ Zinsen der ersten Hypothek eine Verschlechterung erleidet. Diese Verschlechterung 
wird um so größer, je länger das Versteigerungsversahren dauert. Sie ist vom Richter 
insbesondere dann zu beachten, wenn nach erfolgter Zuschlagsversagung ein zweites oder 
weiteres Mal der Versagungsantrag gestellt wird. 
3. Zweigert a. a. O. 52. Die in der Regel kaum feststellbare Aussicht, daß im 
nächsten Termin ein günstigeres Ergebnis erzielt werde, bildet keine Voraussetzung der 
Zuschlagsversagung. Aus der Wiederholbarkeit der Anordnung (Abs. 2) folgt vielmehr, 
daß sie nicht lediglich wegen Fehlens dieser Aussicht abgelehnt werden darf (Scholz, 
JW. 16 1087). Das richterliche Ermessen scheidet aus, wenn der betreibende Gläubiger 
glaubhaft macht (5 294 8PO.), daß ihm die Versagung des Zuschlags einen unverhältnis- 
mäßigen Nachteil bringt; in diesem Falle muß der Zuschlag, wenn nicht sonstige Versagungs- 
gründe vorliegen, erteilt werden (Jaeckel--Güthe, ZVG. L61 S. 910). 
4. JW. 16 1212 (HypEinig A. Charlottenburg). „.Würde man der Zwangs- 
versteigerung Fortgang geben, so würde voraussichtlich die Inhaberin der zweiten Hypothek, 
die ihrerseits das Grundstück zu einem höheren Preise an den gegenwärligen Eigentümer 
veräußert hat, es billig zurückerwerben; der Eigentümer würde um seine bare Einzahlung 
gebracht werden. Das Einigungsamt sieht es nicht als seine Aufgabe an, ein solches Ver- 
sahren zu unterstützen, dem der Eigentümer infolge seiner Abwesenheit keinen hinreichenden 
Widerstand entgegensetzen kann. Die Tatsache, daß der Eigentümer russischer Staats- 
angehöriger ist, kann an dieser Beurteilung nichts ändern.“ — Nach Mitteilung von Ehyck 
das. hat das AG. Charlottenburg demgemäß dem Antrag auf Einstellung der Zwangs- 
versteigerung auf die Dauer von 6 Monaten stattgegeben. — 
5. Leipz Z. 16 820 (Dresden VI) (zur BO. v. 10. Dezember 1914). Die Frage, 
ob beim Vorliegen der sormellen Voraussetzungen der VO. dem Gesuch stattzugeben sei, 
beantwortet sich danach, ob sich annehmen läßt, daß der dem Gesuchsteller bei dem bisherigen 
Meistgebot drohende Ausfall auf die durch den Krieg geschaffene Sachlage zurückgeführt 
werden dürfe, ob sich also nach der Gesamtheit der Verhältnisse von einer späteren Ver- 
steigerung ein günstigeres Gebot erwarten lasse. Hierzu sind die Intetessen beider Teile 
billig gegeneinander abzuwägen. Zu beachten bleibt einerseits, daß durch die Verschie bung 
der Versteigerung die laufeunden wiederkehrenden Leistungen erwachsen, andererseits ist 
es der Zweck der VO., daß die Zwangsversteigerung für ein Gebot, das zwar zulässig wäre, 
aber in einem auffälligen Mißverhältnis zum Wert des Grundstücks stünde, und einen 
Schleuderpreis darstellen würde, um der nachstehenden Hypothekengläubiger willen ver- 
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