Bekanntmachung über untaugliches Schuhwerk vom 22. Juni 1916. 257
angefertigt worden, die schon bei geringer Beanspruchung, namentlich bei nassem Wetter,
riagen.
%r Pbegé den Mißstand, der bereits die Preisprüfungsstellen beschäftigt hat, ist nicht
nur von den Verbrauchern geklagt, sondern cuch von den Händlern, die von den Fabri-
kanten über die Untauglichkeit der Erzeugnizse nicht aufgeklärt sind, ihrerseits aber von
dem in seinen berechtigten Erwartungen getäuschten Abnehmer in Anspruch genommen
werden. Die Derfolgung wegen Betrugs stößt auf Zeweisschwierigkeiten und versagt
leicht, wenn der Zeschuldigte sich auf seine Überzeugung von der Dauerhaftigkeit des
Erzeugnisses, auf die etwa günstige Hreisstellung oder auch auf die bestehende Ledernot
oder dergleichen beruft. Um die Allgemeinheit durchgreifend vor Übervorteilung durch
die mangelhaften Machwerke zu schützen, reichen die bestehenden Gesetze nicht aus. Diel-
mehr erscheinen vorbeugende Maßnahmen erforderlich. Ein wirksames Dorgehen in
diesem Sinne ist auch deshalb unerläßlich, weil die weitere Fabrikation von schlechtem
Schuhzeug der bezeichneten Art zu einer Derschwendung von LTeder führt, die in der
jetzigen Seit nicht geduldet werden kann. Offenbar wird, wenn ein Schuh infolge der
Verwendung von Happe oder dergleichen sich ungebührlich schnell abnutzt und weg-
geworfen werden muß, das im Schuh enthaltene Leder nicht so ausgenutzt, wie es sonst
möglich wäre, es kommt ohne wirtschaftliche Rechtfertigung in Abgang, und dadurch
wird der Derbrauch neuer Schuhe und damit einer weiteren Menge Leder notwendig,
der andernfalls hinausgeschoben werden könnte. Die Menge der in Betracht kommenden
Schuhwaren ist so groß, daß es sich um erbebliche Ledervorräte handelt, die hier erspart
werden können und müssen. Durch die BZek. v. 21. Juni 1916 (RBl. 541) ist daher
derartiges mangelhaftes Schuhwerk für die Sukunft verboten und im öffentlichen In-
teresse vom Derkehr ausgeschlossen worden. Das Derbot beziebt sich nur auf Schuh=
waren, die zum Gebrauch auf der Straße bestimmt sind und in der Hauptsache aus Leder
zu bestehen pflegen. Bei diesen sind es vier Teile, für die ein Bedürfnis nach Schutz
gegen die Derwendung von Happe und dergleichen besteht. Sie ist für den Absatz und
die Laufsohle schlechthin unzulässig, für die Zrandsohle und die Hinterkappe nur als
Derstärkung des Leders, das den überwiegenden Bestandteil bilden muß, statthaft;
in jedem Falle muß der Absatz an der Laufseite aus Leder bestehen. Dem Reichskanzler
ist vorbehalten, die näheren Zestimmungen zu treffen, um den Kreis der Schuhwaren,
die der Derordnung unterliegen, genauer zu umgrenzen und dergleichen. Von dem
Reichskanzler sollen auch die Stoffe bezeichnet werden, die geeignet sind, Leder zu er-
setzen. Sie werden dadurch einheitlich und rechtsverbindlich festgestellt, so daß ein Er-
messen der Gerichte und ein Streit der Sachverständigen im einzelnen Falle ausge-
schlossen wird. Soweit der Reichskanzler die angeblichen Ersatzstoffe nicht anerkannt
hat, haben sie als ungeeignet zu gelten. Gewisse Übergangsvorschriften sind getroffen,
um die beteiligten Fabrikanten und ZHändler vor unbilligen Härten zu bewahren. Ins-
besondere ist Dorsorge getroffen, daß nicht mit dem Inkrafttreten des Verkehrsverbots
die großen Vorräte, die noch bei den Fabrikanten lagern oder sich im Besitze des Schuh-
handels befinden, wirtschaftlich verloren geben. Der Umstand, daß die neuen gesegzlichen
Anforderungen nicht erfüllt sind, schließt daher die beim Inkrafttreten der Derordnung
vorbandenen, als fertige Ware vorliegenden Erzeugni'se vorläufig noch nicht vom
Verkehr aus. Bei der Bemessung der Daner dieser Schonzeit war einerseits zu berück-
sichtigen, daß sie geräumig genug sein muß, um den Beteiligten den Absatz zu ermög-
lichen und namentlich die zahlreichen kleineren Schuhhandlungen tunlichst vor dem
Schaden zu bewahren, der sie treffen muß, wenn sie mit einer beträchtlichen Menge
plötlich unverkäuflich gewordener Ware sitzen bleiben. Andererseits entspricht es der Wich-
tigkeit der Sachlage, auf der die Verordnung bernht, daß diese bald zur vollen Wirkung
kommt, und daß der Anureiz für gewissenlose Hersonen, nengemachte untaugliche Stiefel
als angeblich schon früher hergestellt gewesene nachzuschieben, soviel als möglich abge-
schwächt wird. Die Ubergangszeit ist deshalb auf die Seit bis zum 31. März lol! fest-
gesetzt und für die im allgemeinen wirtschaftlich stärkeren Fabrikanten und Großhändler
Guthe u. Schlegelberger, Kriegsbuch. Bd. 8. 17