Kriegssteuergesetz vom 21. Juni 1916. 355
Das sei eine Abänderung gegenüber den Grundsätzen, die im übrigen gelten und
in ihrer Totalität auch für die Kriegsgewinnstener aufrecht erhalten werden.
In Fällen, in denen Grundstücke nach dem 1. August erworben worden sind
und also nicht auf Antrag, sondern kraft gesetzlicher Vorschrift die Gestel#ungskosten
und nicht der gemeine ert zugrunde zu legen seien, gelte die Einschränkung im
L 2 des § , in dem es heiße:
von den Gestehungskosten sind die durch Derschlechterung entstandenen
Wertminderungen abzuziehen.
Uehme man einmal das Beispiel, es habe jemand in Ostpreußen nach Hriegs-
ansbruch, aber vor dem zweiten Russeneinfall ein Grundstück gekauft, so finde zu-
nächst die Bewertung nach den Gestehungskosten statt. Wenn aber durch den zweiten
Einfall der Russen dieses Grundstück beschädigt worden sei, wenn also eine materielle
verschlechterung eingetreten sei, so dürfe diese Wertverminderung von den Gestehungs-
kosten abgezogen werden. Das gleiche gelte natürlich auch für Grundstücke, die vor
dem 1. Aug. 14 erworben wurden, soweit der Versteuerung der Geslehungspreis
überhaupt zugrunde gele zt wird, und zwar sowohl hinsichtlich der Besitzsteuer als
auch der besonderen Lriegsabgabe.
Wenn man alle diese Bestimmungen zusammenhalte, so werde man zugeben
müssen, daß diese Regelung die Interessen des Fiskus wahrnimmt und auch im Hin-
blick auf die beteiligten Steuerzabler als billig zu bezeichnen ist.
Mit dem BZegriff „Derschlechterung“ sei jede materielle Perschlechterung ge-
meint, eine Derschlechterung, die durch Beschädigung infolge der Kriegsereignisse,
Brand usw., durch Abnahme des Inventars, aber auch durch Abnutzung, mangel-
hafte Bestellung hervorgerufen sein könne. Allerdings sei eine materielle Derschlech-
terung vorausgesetzt, so daß ein Minderwert, der lediglich durch die allgemeine Kon-
junktureinwirkung des Krieges bei unveränderter Substanz entstanden sei, nicht in
Berücksichtigung gezogen werde.
Bei Grundstücken, die vor dem 1. Aug. erworben worden sind, könnten nach
wohl des Eigentümers entweder die Gestehungskosten oder der gemeine Wert zu-
grunde gelegt werden. Er gebe zu, daß die Festsetzung des gemeinen Werts vor allen
Dingen in dieser Kriegszeit genz besonders schwierig sein werde. Er gebe ferner zu,
daß der § 30 Abs. 2 Satz 2 des Zesitzsteuerch, etwas eng gefaß! sein mag; denn es
heiße da:
„Von den Gestehungskosten sind die durch Abnutzung entstandenen Wert-
minderungen abzuziehen.“
Daß man die Absicht habe, hierbei nicht etwa engherzig zu verfahren, sei in
der Begr. zum Ausdruck gebracht worden. Auf Seite is heiße es oben im ersten
Absatz:
„VDon den Gestehungskosten sind nach 8 30 Abs. 2 Satz 2 des Besitzsteuer-
gesetzes die durch Abnutzung entstandenen Wertminderungen abzuziehen.
Bei der Anwendung dieser Dorschrift wird den außergewöhnlichen Der-
Bältnissen der Kriegszeit ebenfalls Rechnung zu tragen sein.“
Ohne ein gewisses liberum arbitrium für die Steuerbehörde könne das ganze
Gesetz überhaupt nicht durchgeführt werden; denn ebenso wie bei den Grundstücken
werde man bei zahlreichen anderen Objekten vor der Frage stehen; wie ist die Sache
zu bewerten. Es sei in der Zeg. zum Ausdruck gebracht worden, daß man gerade
in dieser schweren und ungewissen Feit des lriegs nicht die allerstrengste Anwen-
dung des Gesetzes machen werde, sondern daß dafür gesorgt werden solle, daß
eine vollständige Würdigung aller Derbältnisse eintreten solle. Zei dem Erwerb
nach dem 1. Aug. 14 müßten nach §&6 Abs. 1 der Vorlage die Gestehungskosten
zugrunde gelegt werden und von diesen Gestehungskosten dürfe nach dem Wort-
laut des 8 6 Abs. 2 der Vorlage jede infolge einer Verschlechterung eingetretene
Wertminderung abgezogen werden. Die Einwendungen des Abg. binsichtlich der
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