Kriegswohlfahrtspflege. 699
und es war zu erwarten, daß mit der Zeit, vornehmlich in größeren Städten, in denen
Massenkonfektionsbetriebe sich befinden, zahlreiche Angestellte und Arbeiter beschäftigungs-
los werden würden. E ist daher die durch den Bundesratsbeschluß v. 18. November 1915
für die Angestellten und Arbeiter der Textilindustrie vorgesehene Fürsorge auf die Ange-
stellten und Arbeiter der die Stoffe verarbeilenden Betriebe ausgedehnt worden. Dabei
ist nargestellt, daß sämtliche der Gewerbegruppe IX K der gewerblichen Belriebsstatistil
von 1907 (Statistik des Deutschen Reichs Bd. 222 S. 26) zugehörenden Gewerbezweige
in die für die Erwerbslosenfürsorge der Angestellten und Arbeiter der Textilindustrie er-
lassenen Bestimmungen einbezogen sind.
Neu aufgenommen ist die Fabrikation von Filz. Ferner ist bestimm!, daß neben
Arbeitern und Angestellten auch selbständige Gewerbetreibende, die erwerbslos werden,
der Erwerbslosenfürsorge teilhaftig werden können.
Es ist sodann eine Ergänzung der Nr. 7b der Bek. v. 18. Dezember 1914 über die
Verwendung der Reichsmittel, die zur Unterstützung von Gemeinden oder Gemeinde-
verbänden auf dem Gebiete der Kriegswohlfahrtspflege bereitgestellt sind (Z Bl. für das
Deutsche Reich S. 620) vorgenommen. Wie aus mehrfachen Eingaben, aus der Presse
und aus den von einzelnen Fürsorgeausschüssen und Fürsorgeeinrichtungen getroffenen
Maßnahmen hervorging, wurde die in Nr. 7b a. a. O. getroffene Bestimmung, daß die
Erwerbslosenfürsorge nur solchen Ortseinwohnern zu gewähren ist, die sich infolge des
Krieges durch Erwerbslosigkeit in bedürftiger Lage befinden, nicht immer berücksichtigt.
Es waren Vorschriften erlassen, wonach schon bei Verlust eines vollen Tagelohns in der
Woche ohne weiteres das Eingreifen der Erwerbslosenfürsorge als notwendig und berechtigt
angesehen wurde, und wonach für jede Stunde Lohnausfall Ersatz gewährt wurde, ohne
daß das dem Unterstützten verbleibende Gesamteinkommen und die Gelegenheit zur Aus-
nubung der freigewordenen Zeit zu anderweitem Lohnerwerbe gebührend in Rücksicht
gezogen wurde. Eine solche Regelung war mit den Bestimmungen des Bundesrats nicht
vereinbar und mußte das Streben der betressenden Bevölkerungskreise, sich anderweit
eine lohnende Beschäfligung zu suchen, ungünstig beeinflussen; auch wurden Familien,
die zwar in bedrängte Lage gekommen waren, deren Ernährer sich aber in der Heimat
befand und vielfach Gelegenheit hatie, neben seinem Haupterwerb anderen Verdienst zu
finden, durch Verwendung öffentlicher Mittel nicht selten bessergestellt als die Familien
der Kriegsteilnehmer, deren Ernährer den Anstrengungen und Gefahren des Krieges
ausgesetzt sind. Durch die Anderung der Bestimmungen über die Kriegswohlfahrtspflege
v. 13. April 1916 (Zl. für das Deutsche Reich S. 74) ist daher Nr. 7D der Bek. v. 18. De-
zember 1914 dahin ergänzt worden, daß eine bedürftige Lage vorbehaltlich der Bestim-
mungen unter c und d a. a. O. nur dann anzunehmen ist, wenn die Einnahmen des zu
Unterstützenden einschließlich der Einnahmen der in seinem Haushalte lebenden Familien-
angehörigen infolge gänzlicher oder teilweiser Erwerbslosigleit derart zurückgegangen
sind, daß er nicht mehr imstande ist, damit den notwendigen Lebensunterhalt zu bestreiten.
Nach einem weiteren Zusatz zu Nr. 7 sollen die Gemeinden bei etwaigen von ihnen
für die Regelung einer Erwerbslosenfürsorge geschaffenen besonderen Fürsorgeausschüssen
Vertreter der Arbeitgeber und Arbeitnehmer zuziehen. Dieser Zusatz entspricht dem vom
Keichstag am 14. Januar 1916 angenommenen Antrage des Haushaltsausschusses (Nr. 193
der Drucksachen, II. Session 1914/15. Sten B. 642).
b) D. N. IX 234. Da ungeachtet der vorbeugenden Bestimmungen über die
Einschränkung der Arbeitszeit mit einer Zunahme der Arbeitslosigkeit in der Schuh-
warenindustrie gerechnet werden muß, erschien eine Erwerbslosenfürsorge in größerem
Umfange, als sie die bestehenden Bestimmungen ermöglichten, notwendig. Der Bundes-
rat hat deshalb beschlossen, die Verwendung der Reichsmittel, die zur Unterstützung
von Gemeinden auf dem Gebiete der Kriegswohlfahrtspflege bereitgestellt sind, in
ähnlicher Weise, wie dies zugunsten notleidender Texlilarbeiter geschehen ist, auf die
erwerbslosen Arbeiter der Schuhwarenindustrie auszudehnen. Nach dem Beschluß des
Bundesrats wird von dem Gesamlaufwand der Gemeinden oder Gemeindeverbände