Bek., betr. Liquidation britischer Unternehmungen v. 31. Juli 1916. 715
stiges“ Erhebnis nicht zu erwarten sei. In einem anderen Falle wurden Hfundaktien,
die einen hohen Kurswert besaßen, für lo Schilling weggegeben. Der willkürlichen
Zereicherung, insbesondere der Liquidatoren selbst, ist Cür und Tor geöffnet.
Fu diesem Raubzug gegen deutsche Unternehmungen in England trat in neuester
Seit auch noch ein Griff in die Effektendepots, die bei deutschen Banken in London
liegen. Es galt, sich aus deutschem Hrivatbesitz diejenigen Mengen von Effekten, ins-
besondere von amerikanischen Werten, zu verschaffen, deren man zur Unterlage und
Finanzierung. der in Amerika aufzunehmenden Riesenanleihe bedurfte. England hat
auch diesen Eingriff ohne Scheu vollzogen und ohne Rücksicht darauf, daß vor aller
welt dargetan wurde, daß die Sicherheit der Bankdepots in London nicht mehr existiert.
Erst. nachdem die Tatsache einer in großem Umfang vorgenommenen rücksichts-
losen Liquidation der deutschen Firmen und des deutschen Hrivateigentums im Bri-
tischen Reiche zweifelsfrei festgestellt war, hat die Deutsche Regierung Vergeltungsmaß-
nahmen für unerläßlich erachtet. Demgemäß hat der Bundesrat in der auf Grund
des & 5 des sogenannten Erm G. ergangenen Bek. vom 51. Juli lolé die entsprechende
Gegenmaßnahme ergriffen, und in gleicher Weise wird nunmehr auch in Belgien gegen
britische Unternehmungen und britischen Besitz vorgegangen.
Die Derordnung vom 51. Juli 1016 schließt sich im allgemeinen dem britischen
Gesetze vom 27. Januar l916 an. Ein grundlegender Unterschied jedoch ist hervor-
zubeben:
12 Während das britische Gesetz die Regierung grundsätzlich verpflichtet, die Liqui-
dierung feindlicher Unternehmungen anznordnen, wird in der Bundesratsverordnung
die Entscheidung darüber, ob ein britisches Unternehmen zu liquidieren ist, dem Reichs-
kanzler aneimgestellt. Die deutsche Dolkswirtschaft ist stark genug, um die freie Ze-
tätigung ausländischen Unternellmungsgeistes im Inland zu ertragen. Während eng-
lische Wirtschaftskreise auf der Suche nach den Ursachen des RKückganges und nach den
Mitteln zum Wiederaufban ibrer Dormachtstellung keinen besseren Hlan ausfindig.
machen konnten, als die gewaltsame Ausplünderung und Dernichtung der in friedlicher
deutscher Arbeit geschaffenen Werte, kommen für Deutschland solche Gesichtspunkte
des Handelsneides nicht in Betracht. Die ZReichsleitung wird die Waffe, mit der sie
der Bundesrat versehen hat, nur zu den Swecken gebrauchen, für die sie bestimmt ist. Dies
ailt insbesondere auch binsichtlich der Art der Durchführung der Liquidationsmaßnahmen,
deren Bestimmung im einzelnen dem Ermessen der zuständigen obersten Behörden über-
lassen ist. Es wird den beteiligten Engländern Gelegenheit gegeben werden, bei ihrer
Regierung dahin zu wirken, daß für die Handhabung des englischen Gesetzes nicht die
Böswilligkeit der Ausführungsorgane und der Eigennutz der Wettbewerber den Aus-
schlag geben; gelingt ihnen das, so werden auch ihre Interessen in Deutschland bei der
Auflösung ihrer Unternehmungen eine angemessene Berücksichtigung erfahbren. Sollte
sich freilich die Zritische Regierung auch in dieser Hinsicht der Stimme der Dernunft
und der Billigkeit weiterhin verschließen, so werden die britischen Unternehmungen und
der britische Besitz in Deutschland und Belgien die ganze Schärfe eines entsprechenden
VDorgebens zu fühlen haben. -
Uber die einzelnen Dorschrifien der Derordnung ist noch folgendes zu bemerken:
Die Organisation der Liquidierung schließt sich an die der Fwangsverwaltung und der
Staatsaufsicht über feindliche Unternehmungen im wesentlichen an, jedoch mit der
Maßgabe, daß die Anordnung der Liquidierung von Reichs wegen erfolgt, und daß
auch bei der Durchführung dem Reichskanzler eine unmittelbare Mitwirkung zusteht.
Die erforderlichen Anordnungen sollen dem Liquidator, sei es als allgemeine Richtschnur,
sei es als besondere Anweisung für den Einzelfall, erteilt werden. Die Vorschriften über
die Liquidation nach dem Zandelsgesetzbuch sind demgemäß nicht obne weiteres an-
wendbar.
6 Die Befugnisse des Liquidators sind denen des Swangsverwalters ähnlich ge-
staltet. Besondere Zedentung kommt der Befugnis zu, ein britisches Unternehmen