Full text: Kriegsbuch. Fünfter Band. (5)

766 K. Entlastung der Gerichte, Anderung der Kostengesetze usw. 
Kriegsverordnung verschärft wird. Es fragt sich daher, ob nicht einige Bestimmungen 
schon während des Krieges abgeändert werden können. « 
AuchistvielleichtdieZeitnichtfern,inderfeitensdesReichs-Justizamtsund der 
Landesjustizverwaltungen über die pralktische Bewährung der Verordnung werden Er- 
mittlungen angestellt werden, bei denen die von uns hervorzuhebenden Gesichtspunkte 
werden Berücksichtigung finden können. - 
Endlich handelt es sich auch um grundsätzliche Fragen, in denen wir ein auch nur 
zeitweises Verlassen des von uns für richtig erachteten Standpunktes nicht glauben still. 
schweigend hinnehmen zu dürfen. 
Eine solche grundsätzliche Bedeulung hat für uns der § 19 der Verordnung. Nach 
6 91 3 PO. sind die Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts in allen Prozessen zu er- 
statten, es wird also dort die Anwaltschaft als ein notwendiges Organ der Rechtspflege, 
die Zuziehung des Kechtsanwalts wird ohne weiteres als zweckentsprechend anerkannt 
und die Prüfung der Notwendigkeit der Zuziehung eines Rechtsanwalts bleibt lediglich 
der Partei überlassen. Im Gegensatz hierzu ist nach § 19 im Verfahren vor den Amts- 
gerichten bei einem Streitwert bis zu 50 M. und in Privatklagesachen zu prüfen, ob die 
Zuziehung des Rechtsanwalts zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechie- 
verteidigung notwendig war. Durch diese bedeutsame Abweichung von einem wohl- 
erwogenen Grundprinzip unserer Prozeßordnung wird die Stellung des Rechtsanwalts 
nolwendigerweise herabgedrückt; die Frage, ob seine Zuziehung nicht „überflüssig- war, 
wird zum ständigen Gegenstande unerfreulicher, sein Ansehen gegenüber der Partei ge- 
fährdender Erörterungen. Dazu kommt, daß die Prüfung dieser Frage, für die eine Reihe 
allgemeiner Gesichtspunkte maßgebend ist, in erster Reihe den Gerichtsschreibern und be- 
zuglich der Kosten der Zwangsvollstreckung den Gerichtsvollziehern obliegt. Für den Rechts- 
anwalt ist es doppelt beschämend, wenn von diesen Stellen über die Notwendigleit seiner 
Zuziehung entschieden wird. Ein vollständiges Urteil darüber, ob ein Rechtsanwalt als 
Prozeßvertreter zu bestellen war, setzt die genaue Kenntnis des Ganges der Verhandlung, 
auch die Kenntnis von Tatsachen, die aus den Akten nicht hervorgehen, eine Prüfung der 
Verhällnisse und Rechtskenntnisse der Parteien und besonders einen überblick über die 
Rechtslage voraus. 
In vielen Fällen kann die Frage, ob die Rechtslage schwierig genug war, um die 
Zuziehung eines Rechtsanwalts zu rechtfertigen, ein gründliches Studium der Rechtsfrage 
erfordern, das dem Gerichtsschreiber nicht zuzumuten ist. Gerade diejenigen Richier aber, 
die bestrebt sind, die Interessen beider Teile zu wahren, werden geneigt sein, regelmäßig 
die Zuziehung eines Anwalts als Überflüssig zu erachten. « 
In erster Reihe wird das rechtsuchende Publikum von den neuen Bestimmungen 
betroffen. Es ist dem natürlichen Rechtsempfinden entsprechend, daß derjenige, der sein 
gutes Recht verfolgt oder verteidigt, sich ohne die Gefahr einer Kostenlast eines rechts- 
kundigen Vertreters bedienen darf und man ihm nicht noch nach erfolgreicher Durchführung 
des Rechtsstreils den Beweis dafür aufbürdet, daß er wegen der Schwierigkeit der Rechts- 
lage oder seiner Unabkömmlichkeit veranlaßt gewesen sei, einen Rechtsanwalt zu bestellen. 
Die grundsätzlichen Bedenken gegen §& 19 fallen für die Rechtsanwaltschaft um so 
stärker ins Gewicht, als sie sich gegen Strömungen zu wehren hat, die darauf gerichtet sind, 
die Mängel in dem Wirken der Rechtsanwälte hervorzuheben und Maßregeln zu empsehlen, 
die den um ihre Existenz kämpfenden Rechtsanwälten die Erhaltung eines lebensfähigen 
Anwaltstandes erschweren, von Vertretern dieser Richtung aber die Neuerung schon jett 
als ein Erfolg ihrer Bestrebungen und als der Anfang einer weitergehenden Entwicklung 
begrüßt wird. » 
Unsere Kritik erlebigt sich daher nicht durch den Hinweis auf die Geringfügigleit 
der Sachen. Vei der Beurteilung der finanziellen Wirkung darf aber auch nicht der Maßslab 
eines großstädtischen vielbeschäftigten Anwalts angelegt werden, der zufrieden ist, von der 
Last kleiner Prozesse befreit zu werden. Deun die Einbuße, welche die in kleinen Städten 
tätigen Rechtsanwälte erleiden, für welche die in Rede stehenden Prozesse einen sehr großen
	        
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