Gnadenerweise aus Anlaß des Krieges. 801
Gericht auf Antrag zurückgenommen werden (St. v. 27. Juli 1916, BeschwReg.
254/16, Beibl. z. Il Bl. S. 279). — Bei der Einstellung eines Privatklageverfahrens
sind die durch die Privatllage entstandenen Kosten einschl. der notwendigen Auslagen
des Privatbellagten dem Privattläger auch dann zu überbürden, wenn eine Widerklage
anhängig bleibt.
10. RG. IV, JW. 16 1419. Der Erlaß v. 27. Januar 1916 sindel auf die Fälle W.
insosern Anwendung, als der Angeklagte vor dem 27. Januar 1916 — nämlich am 7. Juli-
1915—- Kriegsteilnehmer geworden war, die Taten im März 1915, also vor der Einberufung
zu den Fahnen begangen hatlie, und weil die Taten ihrer Art nach unter den Erlaß fallen.
Denn da in den Erlassen die Taten, auf die sie Anwendung finden sollen, nach rechtlichen
Gesichtspunkten bezeichnet sind, ist für ihre Anwendbarkeil derjenige rechtliche Gesichts.
punit entscheidend, unter dem zur Zeit des Erlasses die von dem Kriegsteilnehmer vor
seiner Einberufung begangene Tat versolgt wird. Am 27. Januar 1916 aber war in den
Fällen W. gegen den Angeklagten das Hauptverfahren wegen mehrerer Beleidigungen
cröffnel, also wegen Vergehen, die nicht den Verral militärischer Geheimnisse betreffen
und demgemäß unter den Erlaß v. 27. Januar 1916 fallen. Damit sind jedoch die Voraus-
setzungen des Erlasses noch nicht erschöpft, die Niederschlagung der Untersuchung ist viel-
mehr ausdrücklich an die „Bedingung“ geknüpft, daß der Täter — wenn er, wie hier,
leine Person des Soldalenstandes ist — nicht mit Rücksicht auf eine Straftat seine
Eigenschaft als Kriegsteilnehmer verloren hat „oder verlieren wird“. Solange die
„Bedingung“ noch nicht eingetreten ist, ist auch der Strafanspruch noch nicht er-
loschen, die Frage der Begnadigung vielmehr noch in der Schwebe. Zweifeln
begegnet indessen die Frage, welche Wirkungen die Allerhöchsten Erlasse für diese Zwischen-
zeil äußern, ob insbesondere das Verfahren zu ruhen hat. Diese Frage braucht jedoch
hier nicht entschieden zu werden. Denn auch wenn man annimmt, daß in den Fällen W.
das Verfahren gegen den Angeklagten bis zur Entscheidung über Eintritt oder Nichteintritt
jener „Bedungung“ hätte ruhen müssen, und demnach der Vorinstanz ein Verstoß zur Last
siele, so könnte dieser doch nur dann zur Aufßhebung des angefochtenen Urteils führen,
wenn der Angeklagte durch ihn beschwert wäre. Das aber ist hier nach der besonderen Lage
des Falles zu verneinen. Mit einem solchen Ruhen des Verfahrens lönnte nur der Zweck
verfolgt sein, daß während der Schwebezeil durch die vorzeitige Fortsetzung des Verfahrens
nicht die Möglichkeil der Begnadigung beeinträchligt oder vereitelt werde. Der Zweck
entfällt, sobald feststeht, daß der Angeklagte der Begnadigung überhaupt nicht teilhaftig
werden kann. Die Fortsetzung des Verfahrens hat alsdann die Möglichkeil der Begnadigung
weder beeinträchtigt noch vereitelt, also den Angeklagten auch nicht beschwert. So aber
liegl der Fall hier. Durch die Verwerfung der Revision im Falle K. steht die rechtskräftige
Verurleilung des Angeklagten zu Zuchthausstrafe und damit seine dauernde Unfähigkeit
zum Dienste im deutschen Heere fest (§31 Sir G.). Er hat also seine Eigenschaft als Kriegs-
keilnehmer mit Rücksicht auf eine Straftat verloren und ist daher nach dem Erlasse vom
27. Januar 1916 zu 1 Abs. 2 von der Begnadigung ausgeschlossen. Die Fortsetzung des
Verfahrens in den Fällen W. hat ihm mithin die Möglichkeit der Begnadigung nicht ver-
schränkt. Es könnle sich vielleicht noch fragen, ob es im Sinne der Erlasse liege, daß ein
Kriegsteilnehmer durch ein Verfahren wegen der von den Erlassen betroffenen Straflaten
auch nicht einmal nur beheliigt werden solle. In den Erlassen ist dies weder ausgesprochen,
noch angedeutet. Selbst wenn man aber zugunsten des Angeklagten so weit gehen wolite,
dies anzunehmen, so könnte doch im vorliegenden Falle auch dies nicht zur Aufhebung
des Urteils führen, weil der insofern durch die Fortsetzung des Verfahrens dem Angeklagten
erwachsene Schaden überhaupt nicht heilbar wäre. Denn der Zustand, daß der Angeklagte
als Kriegsteilnehmer durch dieses Verfahren unbehelligt bleibe, kann, nachdem er die
Eigenschaft als Kriegsteilnehmer verloren hat, nicht wiederhergestellt werden. Die auf die
Gnadenerlasse gestützte Revisionsrüge vermag daher auch in den Fällen W. die Aufhebung
des Urteils nicht zu begründen.
Güthe u. Schlegelberger, Kriegsbuch. Bd. 3. 51