820 M. Vaterländischer Hilfsdienst.
Industrie, wie mit den Arbeitern zu möglichst enger Gemeinschaftsarbeit gelangen. Zu
den Einzelheiten der Durchführung führte Generalleutnant Groener dann noch aus
daß die notwendige Einschränkung und Stillegung von Betrieben mit besonderer Vorsichl
und ohne Gewaltsamkelt vorgenommen werden solle. Gerade hier müsse engste Zusammen=
arbeit zwischen der Industrie und dem Kriegsamte gesichert werden. Die Heranziehung
der Hilfsdienstpflichtigen aus ihrer alten Beschäftigung solle nur allmählich nach Bedarf
erfolgen. Dem Zwange, der unter Umständen ausgeübt werden müusse, stehe ein ge.
regeltes Rechtisverfahren gegenüber, an dem auch die Vertreter der Arbeitgeber und
Arbeilnehmer beteiligt sind. Die Leitung müsse aber in mililärischen Händen bleiben
da die Raschheit und Vollständigleit der Ausführung nicht beeinträchtigt werden dürfe.
Am Schlusse unterstrich der Chef des Kriegsamts noch einmal den ethischen Charakler
des Gesetzes, das die Willenskraft sowohl der Daheimgebliebenen wie der Kämpfer im
Felde stärlen und zu höchster vaterländischer Leistung anspannen werde. Neben den rein
materiellen Hilfsmitteln sei der Wille des Volkes entscheidend für den Krieg und für
den Sieg.
In der Erörlerung kam zunächst der Redner des Zentrums zu Wort. Er vermißle
in den bisherigen Ausführungen eine zahlenmäßige Ausstellung zur Klärung des Be-
darfs. Wie groß sei der Bedarf und wie sei seine Deckung gedacht? Ein Fehler sei es ge-
wesen, nicht von Anfang an die ganze Volkskraft für die Anforderungen des Krleges ein-
zusetzen. Jetzt müsse geprüft werden, ob mit Hllfe des Gesetzes oder allein durch die auch
von den Vorrednern betonte Freiwilligkeil die nötigen Kräfte gewonnen werden sollien.
Bloße Befehle und bloße Anordnungen auf Grund der Kommandogewalt könnten
nicht weit führen, wenn nicht die Freiwilligkeit der Beleiligten, namentlich der Fachleute
hinzukomme. Durch Beseltigung des Burschendienstes bei Ossizieren, insbesondere in
der Heimat, durch Einschränkung der Ordonnanzen durch Ausräumung gewisser Militär-
und Zivilbureaus könnten viele Kräste gespart werden. Auch die Bevölkerung der be-
setzten Gebiete, für die wir zu sorgen hätten, sei mehr heranzuziehen, zumal unser Volk
angestrengt zu arbeiten gezwungen sei. Bei allem Vertrauen zu Exzellenz Groener und
dem neuen Kriegsamte müsse die Neueinrichtung von Siellen im ganzen Reiche mit der
nötigen Vorsicht gehandhabt werden; dazu nötigten die Erfahrungen mit der Zenfur,
der Schutzhafl und dergleichen. Der Reichstag verdiene jedenfalls dasselbe Vertrauen,
wie es für das neue Amt gewünscht werde. Deshalb müsse verlangt werden, daß der
Reichslag sowohl bei Erlaß der Vorschriften wie ihrer Durchführung mitwirke und cine
Kontrolle darüber erhalte. Redner schlug vor, die Beratungen nach solgenden Gesichts-
punkten einzuteilen: «
1. Voraussetzungen der Hilfsdienstpflicht,
2. Arbeilsbedingungen der Dienstpflichtigen,
3. Organisation des Hilfsdienstes,
4. Entschädigungsfragen.
Ein soz. Abg. bedauerte, daß den Fraktionen erst gestern der Inhalt des Gesetzes
bekanutgegeben worden sei. Solche Ubereilung der Beralung sel um so mehr zu bedauern,
als doch die Notwendigkeit gewisser Maßnahmen in der vorgeschlagenen Richtung früher
schon hier besprochen worden sei. Ausreichend Zeit zur ruhigen Durchberatung der be-
deutsamen Frage müsse gelassen werden, für eine Ermächligung des Bundesrats zur
Festsetung der Ausführungsbestimmungen sei seine Fraktion nicht zu haben, vielmehr
sel auch dies auf dem Wege der Gesetzgebung zu regeln, außerdem seien Sicherungen
für die loyale Durchführung der Vorschriften in das Gesetz einzuarbeilen. Die Arbelter
ständen jetzt schon völlig machtlos da. Redner verwies zur Begründung auf einen Zwangs-
erlaß im Bezirk des VII. Armeekorps. Wenn dem Volke die Zwangspflicht auferlegt
werde, dürften die Gewinne der Unternehmer nicht freigelassen werden. Vom Vole
würden immer mehr Opfer verlangt, von Gegenleistungen wirtschäftlicher und politischer
Natur aber sei nichts zu hören. Hier müsse eingegriffen werden, um die Stimmung des
Volkes zu heben. «-