Gesetz über den vaterländischen Hilfsdienst vom 5. Dezember 1916. 827
nehmer an ihre Arbeiter und Angestellten gehalten und wie die Entschädigungsfrage ge-
regelt werden solle, sei ihm noch völlig unklar. Bei Herausziehung der Frauen und Mädchen
aus der Familie entstünden andere, auch sittliche Gefahren. Deshalb stimme er dem
Grundgedanken der Vorlage bei, der von der Zwangsarbeit für Frauen absehe. Ein
Krebsschaden in unserer Zeit sei das kleinliche Prozessieren. Dem Staatsanwalt solle
die Ermächtigung gegeben werden, bei Ubertretungen unter Umständen und nach War-
nung das Verfahren gegen den Schuldigen einzustellen. Ob die Besetzung der Ober-
landesgerichte mit 5 Richtern belassen werden solle, gebe er zu erwägen. Die Erfüllung
der geletzlichen Dienstpflicht könnte vielleicht für Angehörige der Verblndeten im Aufent-
haltslande gestattet werden. Das würde ebenfalls eine Erleichterung bedeuten.
Ein Fortschritller verwies darauf, daß der schnellen Verabschiedung des Gesetzes
verschiedene Schwierlgkeiten entgegenstünden. Uber die hier erörterten, in Frage kom-
menden Punkte sollte eine Verständigung herbeigeführt werden. Daß die bei der Presse
und der Volksversorgung tätigen Personen als in Ausübung des Hilfsdienstes belrachiet
wetben sollen, lasse die Vorlage nicht klar erkennen. Jedenfalls müsse auch die geistige
Versorgung des Volkes gesichert werden. Die Einstellung gewisser Betriebe dürfe nur
nach eingehender Prüfung erfolgen, damit das Wirtschaftsleben nicht zu sehr gestört werde.
Geneddlleulnant Groener verdiene Vertrauen, und wenn in seinem Geiste überall ge-
arbeitet werde, so könne man sich beruhigen. Uber die Mitwirkung des Reichstags bei
der Ausführung des Gesetzes erwarte er Außerung des Staatssekretärs. Redner besprach
sodann die Lage der Unfallberufsgenossenschaften, denen vielleicht finanzielle Hilfe ge-
währt werden könnte, und belonte, daß die Mitwirkung der kommunalen Selbstverwal-
tungen bei Ausführung des Kriegshilfsgesetzes nötlg sei. Man müsse diesen Verwallungen
aber auch das nötige Personal belassen. Die gegen Staatssekretär Dr. Helfferich gerich-
teten Vorwürse müsse er als unberechtigt zurückweisen. Die Verbände der Eisenbahner
hätten fast allgemein auf das Streikrecht verzlchtet; jedenfalls könne die Frage jetzt nicht
zum Austrag gebracht werden. Daß Sicherungen gegen Lohndruck usw. zugunsten der
Arbeiter mit ausgenommen würden, erscheine angezeigt. Geklärt müsse noch die Frage
werden, ob unter den Wirkungen des Hilfsgesetzes alle Klassen unserer Lehranstalten
und Universitäten aufrecht erhalten werden könnten, ob nich! vielmehr eine Reihe von
Lehranslalten geschlossen werden müßten. Bei allem sei das Augenmerk darauf zu richten,
daß das Gesetz gut durchgeführt und der gute Wille des deutschen Volkes voll aufrecht
erhalten werde.
Eingegangen ist ein Antrag Gröber (Zenir.); danach sollen die Ausführungs=
bestimmungen vom Bundesrat unter Zustimmung des Hauptausschusses erlassen werden
und der Hauptausschuß zum Zasammentritt während der Unterbrechung der Verhand-
lungen des Reichstags berechligl sein; ferner soll der Zeilpunkt des Außerkrafttretens
nicht vom Bundesrat, wie die Vorlage besagt, sondern vom Reichstag bestimmt werden.
Der Chef des Kriegsamts Groener erklärte: Dem Kriegsamt liege nlichts ferner,
als eine überstürzte und gewallsame Durchführung der Hilfsdienstpslicht. Die Seelsorge
werde selbstverständlich als valerländischer Hilfsdienst anerkannt werden. Für die Hilfs-
dienstpflichtigen, auch für die zwangsweise zu einer Beschäftigung Uberwiesenen, würden
die allgemeinen Gesetze, nicht etwa das Mililärrecht maßgebend sein, solange sie nicht
zum eigentlichen Heeresgefolge gehörten. Es sei ausgeschlossen, daß nach dem Inkraft-
treien des Gesees auf dem von seinen Bestimmungen getroffenen Gebiete einzelne
stelwertreiende Generalkommandos noch weiter selbständig auf Grund des Belage-
rungszustandsgesetzes Sondewerfügungen erlassen könnlen, die nicht mit den Rlcht-
linien des Kriegsamts übereinstimmten. Er wolle noch einmal betonen, daß auch
nicht die leiseste Absicht vorhanden sei, einen Lohndruck auszuüben oder zuzulassen oder
überhaupt die Arbeiterschaft schlechter zu stellen als bisher. Das Gesetz wolle und solle
nichis anderes erreichen, als den restlosen Einsatz der Volkskraft in denjenigen Tätigkeiten
und Betrieben, in denen ihre Leistung für die Kriegführung und den Sieg unentbehrlich
sei. Er bitle den Ausschuß, sich dieses großen und unbedingt notwendigen Zieles des Hilfs-