Full text: Kriegsbuch. Fünfter Band. (5)

854 M. Vaterländischer Hilfsdienst. 
Millionen Tonnen weniger als im vorigen Jahr. Die Gründe sind ja bekannt. schlechte 
Witterung, Getreidekrankheiten, Mangel an Kalidlingung. Zu dem Ausfall in der Merge 
kommt noch der Ausfall in der Güte, so daß in Wirklichkeit das Ergebnis für unsere Feinde 
noch viel ungünstiger ist, als es nach diesen Zahlen den Anschein hat. 
M. H., die Vereinigten Staaten und Kanada haben bisher in der Hauplsache die 
Zufuhr für Westeuropa bestritten, auf die Union und Kanada kamen von der großbri 
tannischen Zufuhr, die uns ja in allererster Linie interessiert, im Jahre 1914/15 nicht 
weniger als 74%, im Jahre 1915/16 88 % . Die diesjährige Ernie macht aber eine Ausfuhr 
aus der Union so gut wie unmöglich, eine Ausfuhr kann nur stattfinden aus den alten 
Beständen, die sich rasch erschöpsen. Auch Kanada ist in seiner Exporkfähigkeit schwer ge. 
trofsfen. England, Frankreich, Italien brauchen also zu ihrer Versorgung den Rückgrif 
auf Argentinien, auf Indien und Australien, die zusammen im vorigen Jahre nur 110, 
der englischen Einfuhr stellten. s 
In Argentinien sind die Ernteaussichten gleichfalls schlecht, man spricht bereils 
— ob mit Recht oder Unrecht, kann ich nicht entscheiden — von der Möglichkeit cines Aus. 
fuhrverbots für Getreide aus Argentinien, ein Faktum, das in der Geschichte noch nicht da 
war. Vor allem aber jällt in Betracht, daß die Zufuhr von Getreide aus diesen Ländern 
aus Indien, Argentinien und Australien, zwei= bis dreimal so lange dauert wie die 
Zufuhr aus dem nordamerikanischen Kontinent, daß die Zufuhr aus diesen Ländern in- 
solgedessen in entsprechendem Maße mehr Schiffsraum verlangt. 
Das Wichtigste aber ist, daß auch bei günstigem Ausfall der Ernie in Indien und 
Australien die Länder, die hier in Frage kommen, den Ausfall der Ernie von Nordamerika 
kaum werden weltmachen können. Sachverständige schätzen, daß aus der neuen Ernie 
dieser Länder insgesamt 4½—5 Millionen Tonnen zur Verfügung slehen, dazu 2 Mil- 
lionen Tonnen aus der neuen Ernte der Union und Kanadas, also zusammen 6½—7 
Millionen Tonnen Ausfuhrmöglichkeit aus der neuen Wellernte, gegenüber einem Einfuhr 
bedarf von ungefähr 16 Millionen Tonnen für unsere Feinde und die europäischen kleinen 
Neutralen. Das ist ein Defizil von 9 bis 10 Millionen Tonnen, das aus alten Beständen 
eninommen werden muß, und so groß sind die alten Bestände nicht entfernt. 
Die Wirlung dieser Verhältnisse zeigt sich in der panikartigen Beunruhigung, 
die die Getreidebörsen nicht nur in England, sondern auch in Nordamcrika ergriffen 
hat. Der Weizenpreis in Chikago ist seil Ende August bis Anfang November von 115 Cents 
bis auf nahezu zwel Dollars in die Höhe gegangen gegenüber einem Preise von 90 bis 120 
Cents im vorigen Jahre. In Argentinien liegen die Verhältnisse ähnlich. In England ist 
der Weizenpreis heule, wenn ich den gegenwärtigen Kurs zugrunde lege, doppelt so hoch 
wie in Deutschland, und auch wenn ich den alten Sterlingkurs zugrunde lege, dann slehr 
einem Preise von 260 M. bei uns ein englischer Preis von 370 bis 380 M. gegenuber. 
M. H., Sie sehen, daß in diesem Erntejahr der Hunger, den England gegen uns 
als Bundesgenossen mobil machen wollte, seine dürre Hand gegen unsere Feinde erhebt. 
Während im vorigen Jahre die anderen schadenfroh und siegesgewiß den Monat und Tag 
ausrechneten, an dem wir verhungern müßten, haben sic jetzt allen Grund, sich selbst dir 
größte Sorge zu machen. Und unsere wackeren Unterseeboote lun das Ihrige, um diese 
Sorge für unsere Feinde von Tag zu Tag zu vergrößern. Wenn also unserc eigene Ernte 
dank der bewundernswerten Lelstung unserer Landwirtschaft uns davor bewahrt, aus 
Hunger kapitulieren zu müssen, so dürfen wir das als einen ganz wichtigen, für uns gün. 
stigen Punkt und gegenüber dem Vorjahre günstiger gewordenen Punkt in der Kriegslage 
ansehen. Der Feind hat seinen Vorsprung, den er auf diesem Gebieie uns gegenüber 
hatte, für das laufende Erntejahr endgültig verloren. 
Ich habe geglaubt, Ihnen diese Ausführungen vortragen zu sollen, um Ihnen die 
Gesamllage vor Augen zu rücken. Aus dleser Gesamllage heraus haben wir den großen 
Wurf des valerländischen Hilfsdienstes gewagt, um alle Kräfte für die große Entscheidung 
in diesem Kriege zusammenzusassen. Aus dieser Lage und aus dem Vertrauen auf das 
deutsche Volk entnehmen wir unsere Zuversicht.
	        
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