Full text: Kriegsbuch. Sechster Band. (6)

528 6. Ubergangswirtschaft. 
Opferwilligkeit vom Volke ausgenommen worden, und dsser Zinsf#ß, der doch schon 
1% höher ist als der Friedenszinsfuß für erste Kapitalsanlagen, braucht — und das möchte 
ich besonders betonen — durchaus nicht höher nach dem Kriege zu werden als 5%. Also 
über diesc allgemeinen Verhältnisse brauchen wir uns, glaube ich, keine so übermäßig 
große Sorge zu machen. « 
Ich nehme aber auch an, daß die Herren weniger den Einfluß dieser allgemeinen 
Berhältnisse auf die Kriegsanleihen bei ihrer Frage im Ange gehabt haben als die aller. 
dings recht ernst zu nehmende und durchaus verständliche Sorge, daß nach dem Frieden 
und zwar zunächst etwa in den ersten beiden Jahren, ein sehr starker und große Verluste 
drohender Verkaufsandrang von Kriegsaonleihre an den Markt strömen wird, hervorgerufen 
dadurch, daß, wenn auch der größte Teil unserer Inlandszeichner die Anleihen als dauernde 
Anlagen gezeichnet hat aus gegenwärtigen oder mit Hilfe der Darlehnskassen auch aus 
vergangenen oder zukünftigen Ersparnissen, doch ein beträchtlicher Teil der Anleihen ge- 
zeichnet worden ist aus Kapitkal, das früher festgelegt war in der Form von Rohstoffen, 
Warenmengen, Inventar, Pferdematerial usw., das sich allmählich in Geld umgesezz hat, 
daß das alles nur vorübergehend flüssiges Betriebskapital geworden ist und sich den Kriegs. 
anleihen zugewendet hat, daß aber dieses Kapital bei Umstellung der Kriegswirtschaft 
in die Friedenswirtschaft wieder notwendig zu Geld gemacht werden muß, um Rohsoofse, 
Inventar, Pferde usw. dafür zu beschaffen. Diese Besorgnis ist durchaus verständlich und 
sehr ernst zu nehmen. 
Ich kann aber auch versichern, daß uns diese Gesahr völlig klar ist, daß uns völlig 
klar ist, daß dieser plößliche Verkaufsandrang von großen Werlen in den ersten beiden 
Jahren nach dem Kriege sehr viel größer sein wird, als die Aufnahmefähigkeit des deutschen 
Kapitalmarkts überhaupt verträgt. Der deutsche Kapitalmarkt hat vor dem Kriege jähr- 
lich etwa 3½ Milliarden Papiere ausgenommen; ob er das nach dem Kriege, wenigstens 
in der ersten Zeit, wieder wird leisten können, können wir heute nicht mit Sicherheit sagen. 
Ich rechne damit, daß wir — ich spreche immer von den beiden ersten Jahren nach dem 
Frieden — das an den Markt herandrängende Kapital aus den Kriegsanleihen vielleicht 
mit 6, 7, 8 und mehr Milliarden werden beziffern müssen. 
Das ist aber nicht das Einzige, was hier in Frage steht; daneben werden an den Markt 
alle die neuen Kreditansprüche herantreten, die bis jetzt im Interesse des Reichs zurück- 
gestellt worden sind; die der Staaten, der Kommunen, der Rcalkreditanstalten, der Privat- 
industrie, des Gewerbes, das alles drängt dann auch an den Markt, und dafür ist der Markt 
nicht aufnahmesähig. Wir haben uns aber auch gesagt, daß es notwendig sein wird, soweit 
das in Menschenkraft liegt — mehr kann ja von niemandem verlangt werden —, heute 
schon diejenigen Vorkehrungen zu überlegen und in Aussicht zu nehmen, dic nach mensch- 
lichem Ermessen geeignet und ausreichend sein werden, einem solchen staxken Verkaufs. 
andrang von Kriegsanleihen an den Markt Widerstand zu leisten, die Milliarden an Papieren 
aufzunehmen und nicht bloß aufzunehmen, sondern nachher auch ihre Unterbringung und 
Aufsaugung zu ermöglichen. Nach dieser Richtung haben wir bestimmte Maßnahmen über 
legt, und ich habc die Uberzeugung, daß sie geeignet und ausreichend sein werden für den 
Zweck, einen stärkeren Kurssturz — mehr kann man nicht versprechen —, der etwa durch 
einen solch gewaltigen Andrang herbeigeführt werden klönnte, zu verhindern und die Kurs- 
gestaltung der Kriegsanleihen in den ihrem inneren Wert entsprechenden Grenzen zu 
halten. [Der Redner machte vertrauliche Mitteilungen über die geplanten Maßnahmen 
und fuhr alsdaun fort:)] 
Ich hoffe, daß dieser Plan, über den die Reichsbank, das Reichsschaßamt und das 
Reichsamt des Innern miteinander in Verbindung getreten, und über den sie im Prinzip 
elnig sind, ein sehr wohl gangbarer Weg ist, vielleicht der einzig gangbare Weg — einen 
anderen brauchbaren Gedanken habe ich wenigstens bis jetzt nicht gefunden —, und daß 
es auf diesem Wege möglich sein wird, auch bei einem sehr starken Andrang einen Kurs- 
sturz zu verhüten und einen berechtigten und angemessenen Preis für unsere Anleihen 
aufrecht zu halten, um so mehr, als wir nicht zu befürchten brauchen, wie ich bereits an-
	        
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