Full text: Kriegsbuch. Sechster Band. (6)

588 6. Übergangswirtschaft. 
dafür anfkreben müssen, daß die polnisch-russischen und polnisch-galigischen Arbeiter, die 
in einer sehr großen Zahl in Deutschland beschäftigt sind, im Lande behalten werden und 
daß weitere Anwerbungen ungehindert erfolgen können. 
p) Drucks. Nr. 875 S. 25. 
Sehr erhebliche Bedenken müsse (wird berichtet!] er gegen den Vorschlag äußern 
wonach die Anwerbung und Zulassung ausländischer Arbeitskräfte nur dann gestattet werden 
solle, wenn Mangel an einheimischen Arbeitskräften bestehe, und wonach bei Zulassung 
ausl. Arbeitskräfte eine Sicherung gegen Lohndruck zu treffen sei. Zunächst vermisse er ein 
Bedürfnis für eine solche in ihren Folgen sehr weittragende Bestimmung. Aller Voraus- 
sicht nach würde nach Friedensschluß nicht mit einem ArbeiterÜberfluß, sondern im Gegen- 
teil mit einem erheblichen Mangel an Arbeitern zu rechnen sein, namentlich auch in der 
Landwirtschaft, so daß es für Deutschland gerade darauf ankommen würde, sich die Mög. 
lichkeit der Anwerbung ausländischer Arbeiter in Osterreich-Ungarn und Rußland — 
der sog. Sachsengänger — auch für die Zeit nach dem Friedensschluß zu sichern. Die in 
Vorschlag gebrachte Bestimmung sei dem Contract Labor lans nachgebildet, wie sie früher 
in den Vereinigten Staaten und in Australien in Geltung gestanden hätten. Diese Gesetze 
hätten aber lediglich das Verbot zur vertraglichen Anwerbung von Arbeitern im Auslande 
ausgesprochen und sie hätten selbst in dieser Beschränkung für die in Betracht kommenden 
Länder sehr ungünstig gewirkt, da der Industrie dadurch die Anwerbung namentlich von 
Facharbeitern, insbesondere von solchen, die zur Hochbringung neuer Industriezweige 
erforderlich gewesen seien, überaus erschwert worden wäre. So weit sei aber bisher noar 
kein Staat gegangen, daß er jede Einwanderung fremder, ausländischer Arbeitskräfte 
untersagt oder von seiner ausdrücklichen Zustimmung abhängig gemacht hätte. Es sei auch 
nicht recht abzusehen, wie von einer zentralen Stelle eine Entscheidung darüber getroffen 
werden solle, ob an irgend einer Stelle im Deutschen Reiche Arbeitermangel bestünde. 
Es könnte beispielsweise sehr wohl der Fall sein, daß im Ruhrrevier ausreichend Arbeits. 
kräfte vorhanden seien, während in Oberschlesien cin empfindlicher Arbeitermangel bestünde. 
Würden nun nach Oberschlesien ausländische Arbeiter zugelassen, so stündc diesen doch 
zweifellos nach den eigenen Wünschen der Antragsteller das Recht der Freizügigkeit zu: 
sie könnten sich daher, cinmal in Deutschland befindlich, überall hin, also auch nach dem 
Ruhrrevier begeben. Die Einführung derartiger Beschränkungen, siehe in der Tat auch 
im Widerspruch mit allen seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts in der Gesetzgebung 
der großen Kulturstaaten eingeführten Grundsätzen. Schon der Artikel 11 der preußischen 
Verfassungsurkunde bestimme, daß die Auswanderung nur mit Rücksicht auf die Wehr. 
pflicht beschränkt werden dürse. Er könne nicht annehmen, daß die Antragsteller in dieser 
Beziehung etwas ändern wollten. Sei das aber nicht der Fall, wünschten die Antragsteller 
vielmehr, daß den eigenen Volksgenossen die Ausreise aus dem Heimatland und die Zu- 
reise in andere Länder auch künftig nicht versagt werden dürfte, so würden sie selbstver- 
ständlich auch dem Ausländer den Eintritt in das eigene Gebiet nicht in der hier vorge- 
schlagenen Weise beschränken dürfen. Eine solche Maßnahme würde auch mit den Handels- 
verträgen im vollen Widerspruch stehen. So laute z. V. der Artikel 1 des Handelsvertrags 
mit Schweden: 
„Die Angehörigen eines jeden der vertragschließenden Teile sollen, soweit nicht 
der gegenwärtige Vertrag Ausnahmen enthält, im Gebiete des anderen Teiles in be- 
zug auf Handel, Schiffahrt und sonstige Gewerbe dieselben Privilegien, Befreiungen 
und Begünstigungen aller Art genießen, welche den Inländern zustehen oder zustehen 
werden.“ 
Obwohl also hiernach jeder Gewerbetreibende, jeder Gelehrte, jeder Arzt, jeder selb- 
Rändige Kaufmann und jeder selbständige Handwerker das Recht hätle, im anderen Lande 
sich niederzulassen und dort Gewerbe aller Art zu betreiben, sollte nach der Absicht der vor- 
Lheschlagenen Bestimmung lediglich den Arbeitern dieses durch die Handelsverträge ver-
	        
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