Full text: Kriegsbuch. Sechster Band. (6)

Bek. zum Schutze der Mieter v. 26. Juli 1917. 88 2, 3. 643 
unmöglich. Immerhin unterliegen grundsätzlich auch die Wohnungen der K. der Kün- 
digung und demgegenüber lönnen auch diese die Schutzvorschriften der neuen VO. zu ihren 
Gunsten anwenden. Nur wird allerdings praktisch dadurch laum eine besondere Ver- 
Anderung geschaffen. Denn eine Kündigung und in deren Verlauf eine Räumungsllage 
is auch seither nur durchzuführen, wenn das Gericht dem K. zur Verhütung offenbarer 
Unbilligkeiten einen Vertreter bestellt (z. B. bei groben Berstößen seiner Familienange- 
hörigen bei Benutzung der Mietwohnung). Da aber, wo solche groben Verstöße wirklich 
vorliegen, wird auch ein Schugantrag des K. nach der neuen V. nicht dazu führen, daß 
das Mieteinigungsamt nach billigem Ermessen einc ausgesprochene Kündigung aufheben 
sollte. 
8 2. 
Cohn a. a. O. 42. Unverzüglich bedeutei „ohne schuldhaftes Zögern“ 121 BG.), 
und als Entschuldigung wird man im Anfange, von kleinen Leulen auch später oft Un- 
tenntnis der BO. hören. Aber der in Strafsachen durchgedrungene Grundsap, daß in der 
immer neues Recht schaffenden Kriegsnot jedermann verpflichtet sei, die Zeitung zu lesen, 
ist auch für das bürgerliche Recht anzuerkennen. Die VO. ist sofort aus dem R#Bl. in 
die Tageszeitungen übergegangen, auch in die kleine Lokalpresse. Außerdem ist die Ge- 
meindebehörde nach § 1 Abs. 2 VO. verpflichtet, die Ermächtigung des Einigungsamts 
zur Entscheidung gemäß der VO. in ortslblicher Weise bekanntzumachen. Demgegen- 
über wird der Mieter ganz besondere Umstände darlegen müssen, um die Unkenntnis der 
V. zu rechtfertigen. 
8 3. 
1. Löwenfeld, Grundbesitz und Realkredit 1917 Nr. 38. Der Mieter, der die Auf- 
hebung der Kündigung beantragt, muß nachweisen, daß sie unangemessen ist. Der Antrag 
muß dreierlei darlegen und unter Beweis siellen: 
a) daß Vermieter gekündigt hat, 
b) daß er Mietsteigerung beansprucht, 
e) daß diese Mietsteigerung unangemessen ist. 
Der llagende Mieter kann ferner geltend machen, daß er zu den Personen gehöre, 
die die VO. besonders gegen Mietsleigerungen schützen wolle, zum Kreise der kleinen 
Mieter, der wirtschaftlich Schwachen, oder der Kriegersamilien (Staatssekr. Helfserich 
und Abg. Hoch im RT. St. B. 3539 und 3536), oder daß ihm nicht zugemutet werden 
könne, die Wohnung zu räumen, weil er keine Leule zum Umzug bekomme (Abg. Hoch), 
oder, daß der Umzug mit besonderen Schwierigkeiten und besonders hohen Kosten ver- 
bunden sei (Begr.). Kläger kann auch noch andere, persönliche oder wirtschaftliche Gründe 
für seinen Antrag vorbringen, z. B. daß ihn infolge Krankheit eine Räumung der Wohnung 
besonders schwer trefje, daß am Orte kteine andere, für ihn in Betracht kommende Woh- 
nung zu haben sei. Dagegen kann der beklagte Vermieter einwenden, daß er nicht etwa 
allen seinen Mietern planmäßig gekündigt habe, sondern daß gerade die gekündigte Woh- 
nung unter ihrem Werte vermietet worden sei, oder daß er notgedrungen gekündigt habe, 
weil er gegenüber den gesteigerten Ausgaben mit der bisherigen Miete nicht auslomme. 
Er kann ferner einwenden, daß er überhaupt gar nicht zwecks Mietsteigerung gekündigt 
habe, so daß der Streitfall gar nicht unter die V O. falle, sondern daß die Kündigung not- 
wendig geworden sei, weil der Kläger unpünktlich zahle, oder weil er die Hausordnung be- 
harrlich verletze; er kann endlich einwenden, daß er die Wohnung überhaupt gar nicht 
weiter vermieten wolle, sondern sie für sich, seine Familie oder für andere Zwecke brauche. 
Solche und andere persönliche und wirtschaftliche Verhältnisse des Vermieters hat das 
Einigungsamt bei seiner Entscheidung zu berücksichtigen. 
2. Mittelstein, JW. 17 795. Alle widerstreitenden Interessen sind nach Billig- 
keit abzuwägen. Die gesamte Lage des Mieters und des Vermieters ist zu berücksichtigen, 
insbesondere aber auch die Lage des Wohnungsmarkts, die Schwierigkeiten eines Um- 
zugs zur Kriegszeit, insbesondere bei Abwesenheit des Mieters im Felde. 
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