Bek. zum Schutze der Mieter v. 26. Juli 1917. 8 3. 645
welt es angemessen ist, dic Fortsetzung des Verhöltnisses anordnet, natürlich mit dem
Vorbehalt der Rechte, die der Vermieter ohne Rücksicht auf die Kündigung hat.
6. Cohn a. a. O. 42. Der Richter hat in Mietstreitigkeiten über alle Fragen zu ent-
scheiden, die bisher gerichtlich auszutragen waren, das Einigungsamt nur darüber, ob die
gesetzmäßige Kündigung wegen Unbilligkeit nicht gelten soll. Daraus folgt: das Einigungs-
amt kann die Kündigung wohl für unwirksam, doch nicht für wirksam erklären, sondern, wenn
es keinen Anlaß sieht, ihr die Wirkung zu versagen, nur den dahin gestellten Antrag ab-
lehnen und es dem ordentlichen Richter überlassen, zu befinden, ob die Kündigung nach
den Gesetzen wirksam ist. Sollten dennoch Entscheidungen des Einigungsamts ergehen,
die eine Kündigung für wirksam erklären, so werden sie nur in diesem beschränkten Sinne
zu verstehen sein und den ordentlichen Richter nicht hindern, der Kündigung den Erfolg
zu versagen, weil die geseblichen Voraussetzungen dafür fehlen. Nur wenn das Eini-
gungsamt die Kündigung für unwirksam erklärt, werden Untersuchungen des Gerichts
darüber, ob die Kündigung sonst vor dem geltenden Recht bestehen könnte, hinfällig.
Im einzelnen ergeben sich daraus folgende Schlüsse:
a) Beim Inlrasttreten der V. d. h. in dem Zeitpunkt, wo das Einigungsamt die
vorbehallene Ermächtigung von der Zentralbehörde erhält, kann der ordentliche Richter
Über die Wirksamkeit der Kündigung mittelbar oder unmittelbar schon rechtskräftig ent-
schieden haben, z. B. indem er der darauf gestützten Räumungsllage oder der Klage auf
Feststellung der Beendigung des Mietverhällnisses statlgab oder die auf das Gegenteil
hinauslausende Klage des Mieters abwies.
b) Schwebt beim Inkrafttreten der VO. ein Prozeß der erwähnten Art, so kann er
weitergehen, bis das Mieteinigungsamt die Kündigung für unwirksam erklärt. Dann frei-
lich muß diese Bestimmung dem Urteil des Gerichts zugrunde gelegt werden. Ob das
Gericht vorher, sobald der Mieter das Einigungsamt anruft, den Rechtsstreit aussetzt,
steht in seinem Ermessen. Wegen der Notwendigkeit einer schnellen Erledigung der Miet-
sachen kann es richtiger erscheinen, die Verhandlung und die Beweisaufnahme über die
gesetzliche Berechtigung des Klageanspruchs fortzusetzen, und wenn das Gericht alsbald
zu dem Schlusse kommt, die Kündigung sei unwirksam, dann hat es auch nach § 300 8PO.
die Pflicht, unter Ablehnung des Aussetzungsantrages zu entscheiden. Seine Entscheidung
macht dann auch dem Verfahren vor dem Einigungsamt ein Ende. Unangemessen wäre
die Aussetzung auch dann, wenn der Mieter das Amt offenbar verspätet angerufen hat.
Ülber die Kosten ist allemal nach § 91 8 PO. zu befinden. Also auch wenn der Vermieter
seine Klage vor dem Erlaß der VO. erhoben hat und damals mit Sicherheit auf Erfolg
rechnen konnte, fallen ihm die Kosten des Rechtsstreits zur Last, sofern der Mieter beim
Einigungsamt die Enitscheidung der Unwirksamkeit der Kündigung und auf deren Grund
die Abweisung der gerichtlichen Klage erlangt; denn der Kläger trägt die Gefahr des Wech-
sels der Gesetzgebung (R. 48, 50), und das Ergebnis ist hier nicht unbillig, weil das Vor-
gehen des Vermieters selbst nicht vor billigem Ermessen besteht.
7. Mittelstein a. a. O. 795. Das Einigungsamt stellt nicht fest, was Rechtens
ist, sondern schafft neues Recht zwischen den Mietparteien durch seinen Spruch. Und
diese Befugnis des Einigungsamts ist nicht beschränkt auf die eine Frage, ob die Kün-
digung wirken soll oder nicht, sondern das Einigungsamt kann bei dieser Gelegenheit auch
darüber Entscheidung tresfsen, auf wie lange Zeit das Mietverhältnis noch fortgesetzt werden
soll. Trifft das Einigungsamt eine solche Anordnung, so ist es weiter befugt, für solche von
ihm beliebte Fortdauer des Mietverhältnisses seinerseits den Mietzins zu erhöhen. So kann
die Anrufung des Einigungsamts durch den Mieter zur Folge haben, daß er zwar noch
das Mietverhältnis fortsetzen darf, daß er aber einen höheren Mietzins als bisher, wenn
auch vielleicht nicht den vom Vermieter begehrten zu entrichten hat. Der Mieter, welcher
das Einigungsamt anruft, muß daher mit der Möglichkeit einer Erhöhung des Mietzinses
rechnen. Er kann natürlich, wenn er einen Ausgang erwarten muß, der ihm nicht günstig
genug erscheint, seinen Antrag auf Abgabe einer Entscheidung vor deren Erlaß zurück-
Jiehen.