BO. ũber den Handel mit Lebens= und Futtermitteln v. 29. Juli 1916. 679
gegenüber Personen, dic mit Lebens- und Futtermitteln Handel treiben, die Erm. ist
vielmehr ganz allgemein und in weitestem Umfang erteilt. Es besteht deshalb kein ersicht-
licher Grund dafür, die Bestimmung in § 12 Abs. 1 Ziff. 1 irgendwie einschränkend auszu-
legen oder gar in ihrer allgemeinen Fassung für unwirksam anzusehen.
2. KG. 1, Recht 17 401 Nr. 832. Zur Annahme eines Kettenhandels (5 11) genügt
es, daß der Täter sich als überflüssiges Glied in die zum kriegswirtschaftlichen Waren-
verkehr ordnungsgemäß erforderliche Reihe der Händler einschiebt, gleichviel, ob bas unter
vewußter Mitwirlung eines Vor= oder Nachmannes geschieht. Indes muß stets geprüft
und sestgestellt werden, aus welchen tatsächlichen Gründen die Tätigkeit des einzelnen
im Warenverteilungsprozeß überflüssig und dieser als unnützes Zwischenglied erscheint.
3. OLG. 35 298 (Hamburg VI). Seinem Wesen nach unterscheidet sich der Ketten-
dandel von dem erlaubten Zwischenhandel dadurch, daß er den ganzen Handel umfaßt,
der ohne Erfüllung einer notwendigen volkswirtschafllichen Aufgabe auf unlautere Weise
einc an sich nicht gebotene Preissteigerung oder Zurückbehaltung der Ware herbeiführt.
4. RG. V, Mittf Preisprüfst. 17 242. Der Angekl. wird nach dem Gutachten des
Sachverständigen im Urteil als ein Großhändler zweiter Ordnung (Provinzialgroßhändler)
bczeichnet, dessen Aufgabe darin besteht, die Ware von dem Großhändler erster Ordnung,
der sie von dem sog. Importeur bezieht und sich mit dem Absatz in der Provinz an die
Kleinhändler nicht befaßt, zu diesem Zweck abzunehmen. Der Angeklagte hat indes die
Hare an einen anderen Großhändler zweiter Ordnung verkauft und sich sonach, wie die
Straffammer rechtsirrtumsfrei folgert, als ein unnützes und überflüssiges Glied in die
Händlorkette preissteigernd cingeschoben.
5. OLG. 35 299 (KG. VII). Da die Parteien weder Erzeuger oder Verbraucher,
noch als Werkzeug des Groß= oder Kleinhandels zur UÜberleitung der Ware (Seife) von der
Herstellung zum Verbrauche nötig waren, vielmehr Glieder bildeten, die sich in die Kette
der Handelsvorgänge ohne volkswirtschaftl. Nutzen allein aus gewinnsüchtiger Absicht
cinzuschalten suchten und deren verhältnismäßig erhebliche Aufschläge auf die vom Kl.
nicht sest gekauste Ware weder durch besondere Mühewaltung, noch durch ein beson-
deres Wagnis gerechtfertigt wurden, so liegt ein Musierbeispiel von Kettenhandel vor.
Die Parteien waren sich ferner der Tatsachen bewußt, dic in objektiver Beziehung die
Voraussetzungen des Kettenhandels ergeben. Der Kl. wußte, daß die Bekl. keine Klein-
händler waren, und diesen war bekannt, daß jener nicht Hersteller war, und die Bell.
war sich natürlich auch bewußt, daß sie an andere Zwischenhändler weiter verkausen wollten.
Im Frieden konnte ein solcher Handel unter der Herrschaft grundsätzlich unbeschränkter
wirtschaftlicher Freiheit ols zulässig angesehen werden. Er wurde dadurch unschädlich ge-
macht, daß sich die durch ihn herbeigeführte Preissteigerung infolge des Ausgleichs zwischen
Angebol und Nachfrage von selbst regelte und innerhalb mäßiger Grenzen hielt. In dem
cegenwärtigen Kriege jedoch, der die Gegenst. des tägl. Bed. durch den Abschluß der Gren-
zen Deutschlands der Menge nach beschränkt hat, finden solche Preissleigerungen keinen
Ausgleich, da die Nachfrage das Angebot an solchen Gegenständen, zu denen auch Seife
gehört, noiwendig immer übersteigt. Demnach gesährdet heute der preistreiberische
Hettenhandel die gleichmäßige Befriedigung des Bedürsfnisses des BVolkes und muß als
wirtschaftsschädlich, vaterlandsfeindlich und sittenwidrig angesehen werden. Diese An-
schauung über die sittenwidrige Natur des Keitenhandels hat sich mit der zunehmenden
Waremtnappheit zunehmend im Handel durchgesetzt. Sie bestand bereits zur Zeit des
Kaufabschlusses Anfang März 1916. Hiergegen spricht nicht, daß erst die BRB. v. 24.
Juni 1916 und v. 8. Febr. 1917 der Kettenhandel nur in zwei Geschäftszweigen, bei denen
er besonders schädigend hervorgetreten war, strafrechtlich zu erfassen bezweckte. Aus ihnen
folgt zwar, daß er auf einzelnen Gebieten nicht nur als unsittlich, sondern geradezu als
siraswürdig betrachtet wird, aber nicht umgekehrt, daß er auf allen anderen Gebieten zu-
lössig sei. Zudem rechnet die V. v. 24. Juni 1916 in 11 zu den unlauteren preissteigern-
den Machenschaften besonders den Kettenhandel und die „unlauteren Machenschaften“
find bereits in K 6 Nr. 3 der Bek. v. 23. Juli 1915 gegen übermäßige Preissteigerung unter