680 C. Handelssachen und Gewerbliches Eigentum.
Strafc gestellt. Während schlieblich die Strafbarkeit einer Handlungsweise nur durch
Gesetz bestimmt wird, entscheidet über ihre Sittenwidrigkeit bereits die Anschauung der
billig und gerecht denkenden Volksgenossen. Eine solche bestand in dem Sinnc, daß Ketten.
handel als unsittlich galt, im März 1916 schon seit geraumer Zeit (aM. Hamburg 123.
April 1917, OLG. 35, 299, wonach bis zum Inkrafttreten der Kettenhandel V0O. Nichtig-
leit des Kettenh Geschäfts wegen Sittenwidrigkeit nicht angenommen werden könne). 6
6. DJZ. 17 1034 (KG.). Der Kettenhandel unterscheidet sich vom berechtigten, weil
der Förderung wirtschaftlicher Zwecke dienenden Zwischenhandel dadurch, daß sich vei
ihm in eigennütziger Absicht ein Zwischenglied in den Prozeß der Warenverleilung ein-
schiebt, das zur Erfüllung der dem Warenhandel obliegenden Aufgabe, der zweckmäßiger
Zuleitung der Ware vom Erzeuger zum Verbraucher, nichts beiträgt, also unnütz ist, dic
Ware vom Verbraucher fernhäll und durch die Verlängerung ihres Weges um den Betraa
des von dem Zwischenglied angestrebten Gewinns und weiterer Unkosten verteuert.
Das Merkmal der Unlauterkeit wird diesem Geschäftsgebahren, dieser „Machenschaft“,
aufgedrückt durch die selbstsüchtige Gesinnung, die unter Ausbeutung der durch den Kricg
geschaffenen wirtschaftlichen Bedingungen des eigenen Gewinns halber die Interessen
der Allgemeinheit hintansetzt und schädigt. Dieses unwirtschaftliche Eingreifen in den natür.
lichen Ablauf des Verteilungsprozesses kann sich auch in der Art vollziehen, daß der Groß-
händler die beim Kleinhändler angelangte Ware wieder an sich zieht, ja ein solcher Wieder-
auflauf aus dem Kleinhandel kann gerade besonders dazu beitragen, den Umweg der
Ware zu verlängern. Wesentliches Erfordernis für den inneren Tatbestand ist das Be-
wußtsein des Täters von dieser Folge seines Eingreifens in die Warenzirkulation; er muß
die Preissteigerung oder doch deren Möglichkeit als Folge seines Tuns vorausgesehen haben.
Dagegen ist nicht erforderlich eine auf Herbeiführung dieser Preissteigerung gerichtete
Absicht, wic das beim Tatbestand der auch in der Form des Kettenhandels übermäßigen
Preissteigerung nach § 5 Nr. 3 der BRO. v. 23. Juli 1915 bzw. 23. März 1916 der Fall is.
7. JW. 17 938 (K G.). Der Handel soll sich möglichst unter Ausschaltung unnötiger
Zwischenglieder, durch deren Eingreifen die Warc nur verteuert wird, zwischen dem Er.
zeuger, dem Großhändler und dem Kleinhändler, welch letzterer die Ware an den Ver-
braucher abgibt, vollziehen. Die durch den Handelsverkehr nicht gebotenc Abweichung
von diesem Gange des Warenumlaufs kann eine unlautere Machenschaft im Sinne des-
5 11 enthalten. Der Regelfall des strafbaren Kettenhandels besteht deshalb darin, daß die
Weitergabe der Ware von mehreren, den Handel auf der gleichen Stufe des Umlaufs be-
treibenden Personen untereinander vorgenommen wird; das trifft zu, wenn ein Groß-
händler an den anderen, oder ein Kleinhändler an den anderen die Ware verkaust, deren
Preis dadurch gesteigert wird, bevor sie an den Verbraucher gelangt. Die zugleich ent.
stehende Verzögerung der Weitergabe an den Verbraucher kommt dabei ebenfalls in Ve.
tracht, insofern sie der Versorgung der Allgemeinheit zu angemessenen Preisen hinderlich
ist und von den Tätern in diesem Bewußtsein herbeigeführt wird. Ein besonders hierher
gehöriger Fall, in dem der regelmäßige Gang des Warenumlaufs unterbrochen wird,
ist dann gegeben, wenn der Großhändler die Ware vom Kleinhändler zurücklauft und sie
dann an einen anderen Großhändler verkauft.
8. Leipz Z. 17 1270 (BayObLG.). Kettenhandel ist auch in der Weise möglich, daß
der Großhändler die beim Kleinhändler angelangle Ware wieder an sich zieht. Wesentliches
Erfordernis für den inneren Tatbestand ist, daß der Täter die Preissteigerung oder doch
ihre Möglichkeit als Folge seines Tuns voraussieht. Nicht erforderlich ist aber die auf die
Preissteigerung gerichtete Absicht, die zum Tatbestande der auch in der Form des Ketten-
handels möglichen überm. Preissleigerung nach § 5 Nr. 3 der BRBO. v. 23. März 1916
gehört.
9. KGBl. 17 78 (LG. 1 Berlin). Schon der Ausdruck „Kettenhandel“, der sich bereite
in 3 11 BO. v. 24. Juni 1916 findet, weist darauf hin, daß nicht jeder vielleicht entbehr.
liche Zwischenhandel gemeint ist; im Ausdrucke liegt der Vorwurf von ctwas Gemein-
schädlichem und von einem dem ehrenwerten Handel fremden Verfahren. Die Erschei-