Full text: Kriegsbuch. Sechster Band. (6)

VO. ũber den Handel mit Lebens- und Futiermitteln v. 29. Juli 1916. 681 
nungen, die während des Krieges zu dem Verbote des Kettenhandels zunächst für Nahrungs- 
und Genußmittel geführt haben, bestanden darin, daß eine verkaufte Ware in kurzer Zeit, 
oft innerhalb weniger Stunden von einem Käufer an den anderen weitergeschoben und 
dauernd im Preise gesteigert wurde. Solche Geschäfte sind unlautere Machenschaften und 
nur sie meint das Gesetz mit dem verbotenen Kettenhandel. Wie der Begriff scharf abzu- 
grenzen ist, kann dahingestellt bleiben. Keinesfalls fällt darunter ein Verkehr, der in den 
beteiligten Handelskreisen längst vor dem Kriege bestand und der während des Krieges 
unabhängig von den durch den Krieg eingetretenen besonderen Verhällnissen fortge- 
dauert hat, und der von jeher als wirtschaftlich unbedenklich und ehrenhaft angesehen 
worden ist. 
10. R. V, Mitts Preisprüsst. 17 242. Die Revision leitet aus dem Urteil die Schluß- 
solgerung her, daß zum inneren Tatbestand des strafbaren Kettenhandels die Verfolgung 
eines eigennützigen Interesses gehöre. Offenbar will aber dieses Urteil, das sich übrigens 
mit dem nach § 5 Nr. 3 der Preissteigerungs V O. als unlantere Machenschaft sich dar- 
stellenden Kettenhandel beschäftigt, in diesen Begriff nicht den ihm fremden Bestandtell 
des Eigennutges hineintragen, sondern nur daraus denjenigen Zwischenhandel ausscheiden, 
der zur Erfüllung einer wirtschaftlich gerechtfertigten Aufgabe, nämlich zur Ermöglichung 
oder Erleichterung der Zuführung der Ware an den Verbraucher, erfolgt, also dem all- 
gemeinen Verkehrsinteresse, nicht bloß dem rein persönlichen Interesse des Zwischenhändlers 
dient. Die Widerlegung dieser Voraussetzung erhellt zur Genüge aus den Urteilsgründen. 
Der Angekl. hat, wie dort festgestellt ist, sich lediglich aus dem Grunde in die Reihe der 
Händler eingeschoben, um innerhalb seines Betriebes Gewinn aus dem Handel zu ziehen. 
Daß er durch den Weiterverkauf an den Großhändler einen höheren Gewinn erzielen wollte, 
als ihm beim Verkauf an einen Kleinhändler erwachsen wäre, ist für den Tatbestand des 
Vergehens nicht erforderlich. 
11. R. III, Recht 17 590 Nr. 1121. Als Kettenhandel ist verboten jedes Einschtieben 
eines Zwischengliedes in den Verteilungsprozeß einer Ware, das für die allgemeinen 
Bedürfnisse der Kriegswirtschaft unnütz ist und lediglich aus eigensüchtigen Interessen 
erfolgt. Als unnütz kann nicht ohne weiteres das Auftreten eines Händlers gelten, der sich 
mit dem Aufkauf einer Warc bei dem Erzenger und deren Absatz an Zwischen= oder Klein- 
händler oder den Verbraucher befaßt, auch dann nicht, wenn sonst im allgemeinen ein 
unmittelbarer Absatz üblich war. 
12. RG. IV, Recht 17 590 Nr. 1122. Als unnützes Zwischenglied in der Kette der 
Händler kann nicht ohne weiteres derjenige gelten, der die Ware zum Zweck des Weiter- 
verkaufs an einen Großbändler aussucht und ankauft. Der Umstand, daß regelmäßig in 
der Friedenswirtschaft Waren der gleichen Art unmittelbar vom Großhändler aufgekauft 
werden, schließt nicht ous, daß im Krieg der Weg der Ware vom Hersteller zum Verkläufer 
notwendiger oder zweckmäßiger länger wird, und es ist deshalb nicht angängig jede 
Person, die im Krieg in diesen Weg eintritt, deshalb allein als wirtschaftlich überflüssig 
zu behandeln. Nur die besonderen Umstände des Einzelfalls können die Annahme eines 
verteuernden Kettenhandels begründen. 
13. Bendixen, HansRZ. 17 —. Eine unlautere Machenschaft: das ist eine 
sittlich verwersliche Handlungsweise, wie sic ein achtbarer Kaufmann nie begehen würde. 
Es ist nicht nur ein objektiv verkehrtes Handeln, das etwa in falschem Urteil seinen Grund 
haben könnte, sondern es setzt subjektives Verschulden voraus, und zwar eine arglistige 
Gesinnung und Absicht, das Bewußtsein unlauteren, oder wie man sich gewöhnlich aus- 
drückt, unanständigen Handelns. Wer dagegen bei seinem Tun sich vor Gott und Menschen 
rein fühlt, dem darf man nicht eine „unlautere Machenschaft“ vorwerfen. Der achtbare 
Kaufmann, der mit dem besten Gewissen ein Geschäft abschließt, wie es in seinem Betriebe 
herlömmlich ist, kann unmöglich unter die Strafandrohung fallen. Er handelt nicht un- 
lauter, selbst wenn das Gericht der Ansicht ist, daß das Geschäft eine preissteigernde Wirkung 
gehabt habe und wirtschastlich überflüssig gewesen sei.
	        
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