Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

852 Baiern. Kammer der Reichsräthe 
mir darüber nur wenige Bemerkungen. Ich habe durchaus nicht gesagt, daß 
es unpassend sei, daß der Bund in einer kräftigen Spitze gipfle. Im Ge- 
gentheile, ich habe es sogar ausdrücklich als einen der Vorzüge der Bundes- 
verfassung und als ein Merkmal ihrer im Allgemeinen richtigen Organisation 
bezeichnet, daß die oberste Leitung des Bundes in die Hände des mächtigsten 
Bundesstaates gelegt sei. Eine andere Frage aber ist die, ob diese Spitze 
nothwendig in so übermäßiger Schärfe zugespitzt, ob sie mit so erorbitanten 
Vorrechten ausgerüstet werden mußte, wie dies in der Bundesverfassung ge- 
schehen, und diese Nothwendigkeit scheint mir durch die Aeußerung des Herm 
Staatsministers nicht dargethan zu sein. Im Gegentheile, wenn der 
Herr Staatsminister das Vertrauen ausgesprochen hat, welches ich gerne 
theilen will, daß die Krone Preußen von den Vorrechten, welche ihr einge- 
räumt sind, keinen so schroffeu Gebrauch machen, vielmehr stets nur im Be- 
nehmen mit den Bundesgenossen vorgehen werde, so liegt hierin, wie mir 
scheint, gerade die Anerkennung, daß dieser Krone Vorrechte eingeräumt sind, 
von welchen ein schroffer Gebrauch gemacht werden kann. Was den Reichstag 
betrifft, so ist von Seite des Herrn Staat sministers betont worden, es 
sei zu weit gegangen, wenn man den Reichstag geradezu als ohnmächtige 
Korporation hinstelle. Meine Hohen Herren, das habe ich auch nicht gethan. 
Der Reichstag hat allerdings auch in der ihm von der Bundesverfassung 
gegebenen Stellung noch immer erhebliche Rechte; ich habe das anerkannt 
und sogar auedrücklich die Hoffnung daran geknüpft, daß er von diesen 
Rechten zur Ausbildung der Verfassung im fäöderativen Sinne Gebrauch 
machen werde. Aber das wird doch nicht geleugnet werden können, daß 
keineswegs alle Rechte, die jetzt die baierische Volksvertretung hat, unverkürzt 
auf den Reichstag übergehen; es erhellt das unwiderleglich aus den ange- 
führten Bestimmungen der Bundesverfassung. Zur Freude aber gereicht es 
mir, mit dem Herrn Staatsminister in dem Vertrauen zusammenzu- 
treffen, daß es dem verständigen Sinne und kräftigen Willen des Deutschen 
Volks gelingen werde, im allmäligen Ausbau der Bundesverfassung die Ge- 
brechen zu beseitigen, die wir dermalen noch in vielen Bestimmungen der- 
selben erblicken müssen. Möge der Himmel geben, daß dieses Vertrauen uns 
nicht täuschel 
Bei der namentlichen Abstimmung wurde mit allen gegen drei 
Stimmen den Verträgen die Zustimmung ertheilt’). 
5 S. 91.
	        
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