Full text: Kriegsbuch. Sechster Band. (6)

Gesetz über die Wiederherstellung der deutschen Handelsfloite v. 7. November 1917. 787 
Begründung. 
Eine der wichtigsten Aufgaben des deutschen Volkes nach dem Kriege bildet die 
Wiederaufnahme des Weltverkehrs und der weltwirtschaft. Die Erfüllung dieser Auf- 
gabe hat zur Voraussetzung, daß die Handelsflotte wiederhergestellt und die deutsche 
Reederei in den Stand gesetzt wird, nach Beendigung des Krieges den überseeischen 
Schiffsverkehr entsprechend den Zedürfnissen der deutschen Dolkswirtschaft ungesäumt 
wieder aufzunehmen. Hierzu bedarf es der finanziellen Bilfe des Reichs, weil die Der- 
Inste, die der Krieg der dentschen Reederei zugefügt hat, zu groß sind, als daß sie aus 
eigener Kraft die erforderlichen Schiffe bauen und ihren Betrieb in dem gebotenen 
Umfang wieder aufnehmen könnte. 
Der Bestand der deutschen Handelsflotte belief sich vor dem lriege auf mehr 
als 5 Millionen Zrutto-Registertonnen, davon sind über 2 Millionen Tonnen in Feindes- 
hand gefallen oder gefährdet. Des ferneren liegen über 1 Million Tonnen in den Häfen 
verbündeter und neutraler Staaten infolge der Seesperre fest. 
Die Ersatzbeschaffung des verlorenen Schiffsraums gestaltet sich für die deutschen 
Reedereien um so schwieriger, als die Hreise sowohl für den Meubau wie für den An- 
kauf von Zandelsschiffen eine ungewöhnliche Steigerung, und zwar auf ein vielfaches 
des Friedenspreises erfahren haben. Die Schiffsneubauten, die jetzt oder in den ersten 
Jahren nach dem Kriege ausgeführt werden, stellen sich so teuer, daß sie aller Doraus- 
sicht nach auf die Dauer keine ausreichende Derzinsung erwarten lassen, sondern später 
mit Derlust ärbeiten werden, wenn sie allein auf Kosten des Needers hergestellt sind. 
Der weitaus größte Teil der deutschen Reederei ist durch den Mrieg völlig lahm- 
gelegt und die aus dem Uberseeverkehr fließenden Einnahmen sind versiegt. Ander- 
seits hat die Instandhaltung der im Ausland liegenden Schiffe und der Unterhalt ihrer 
Besatzung sehr hohe Ausgaben erfordert. Diese laufenden Ausgaben, der Fortfall 
der Einnahmen aus dem Dberseeverkehre sowie die mit der Aufrechterhaltung ihrer 
Organisation verbundenen Uosten haben die deutsche Reederei finanziell ungemein 
geschwächt. Demgegenüber macht die Reederei in den neutralen, zum Teil auch in den 
feindlichen Staaten während des Krieges die stärksten Anstrengungen, ihren Schlffs- 
raum zu vermehren und in das bisherige Geschäftsgebiet der dentschen Reederei ein- 
zudringen. Bei diesem Vorgehen befinden sich die ausl. Reedereien auch deshalb in 
besonders günstiger Lage, weil sie im bisherigen Derlaufe des Krieges vielfach glänzende 
Erträge erzielt haben und sich infolgedessen im Besitze sehr großer Mittel befinden. 
Außerdem werden sie bei jenen Bestrebungen von ihren Landesregierungen kräftig 
unterstützt; namentlich die Derelnigten Staaten von Amerika und Japan haben so- 
wohl ihren Schiffsbau, als auch ihren Schiffsbetrieb schon jetzt außerordentlich gesteigert 
und ausgedehnt. 
Angesichts dieser Lage der deutschen Schiffahrt war zunächst erwogen worden, 
die beschleunigte Wiederberstellung der Handelsflotte durch Gewährung von Darlehen 
an diejenigen Reedereien zu fördern, welche durch WMeubauten oder durch Ankauf von 
Schiffen im Ausland ihren verlorenen Schiffsraum ersetzen wollen. Seit dem Erüh- 
jahr 1917 haben aber die wirtschaftl. Verhältnisse der deutschen Reederei durch die 
feindl. Zaltung der Dereinigten Staaten von Amerika und durch die fortgesetzte außer- 
ordentliche Steigerung der Schiffsbaupreise eine weitere ungünstige Derschärfung er- 
fahren. Die Gewährung von Darlehen, auch wenn sie erst zu einem späteren Seitpunkt 
zurückzuzahlen wären, bietet daher keine ausreichende Gewähr mehr für die erforderliche 
MNeubelebung der deutschen Schiffahrt. 
Den dringl. Dorstellungen der Reedereien nach Dorlage eines Entschädigungsges. 
vermag die Relchsleitung auch jetzt noch nicht zu entsprechen. Die Vorlage eines solchen 
Ges. ist zwar, wie bereits wiederholt betont, nach dem Dorgang von 18170/71 in Aus- 
sicht genommen. Da es aber in seinen Doraussetzungen und seiner Ausgestaltung von 
der finanziellen und wirtschaftl. Gesamtlage bei Friedensschluß abhängig ist, so kann 
auf seine Fertigstellung erst nach Friedensschluß gerechnet werden. 
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