Full text: Kriegsbuch.Vierter Band. (4)

Bewirtschaftung und Verkehr mit Milch. 383 
außerordentlichen Knappheit an Speisefetten und auch an Milch große Bezirke unseres 
Daterlandes einem wirklichen Notstande entgegengehen würden, während andere 
Gegenden sich auf diesem Gebiete in einem gewissen Wohlstande befinden, hat unab- 
weisbar dazu genötigt, nach einheitlichen Gesichtspunkten die Mlilch= und Fetterzeugung. 
zu regeln und eine aleichmäßige Derteilung des erzeugten Fettes, sowie eine möglichste 
Sicherstellung des notwendigen Milchbedarfes anzustreben. 
Für die landwirtschaftliche Zevölkerung, welche gerade bei der Milcherzeugung. 
besonders hohe Mühe und NKosten aufwenden muß, bedentet das einen schweren und 
tief empfundenen Eingriff in ihre Milchwirtschaft. Die Mögalichkeit einer einigermaßen 
reichlichen Dersorgung durch selbst erzengte Milch und Butter bildete bei der Land- 
bevölkerung neben der Dersorgung durch selbst erzeugtes Schweinefleisch und Speck 
eine der Grundlagen ihrer Hanswirtschaft und einen gewissen Ersatz für das Febhlen 
aller der vielen Dorteile und Annehmlichkeiten, die die städtische Hausfrau in ihrer 
Wirtschaft geneb. Aber die Notwendigkeit, die städtische Bevölkerung und vor allem 
die schwer arbeitende Industriearbeiterschaft mit ausreichendem Fett und solche Ze- 
völkerungsgruppen, die zu ihrer Ernährung Vollmilch nicht entbehren können, mit Milch 
zu versorgen, hat schärfere Maßnahmen zur Herbeiführnung cines gewissen Ausgleichs 
notwendig gemacht. 
In Gegenden, wo auch die kleineren Landwirte und viehhaltenden Arbeiter sich. 
gewöhnt haben, ibre irgend entbehrliche Milch zur Molkerei zu bringen, ist der Wandel 
der Dinge nicht so fühlbar. In den vielen Gegenden aber, wo im Bauernbetriebe selbst 
Butter hergestellt wird, ist der Eingriff schwieriger und wird viel liefer empfunden. 
Auch für die städtische Bevölkerung, soweit sie bisher noch einigermaßen mit 
Vollmilch versorgt war, bedeutet die notwendige Weuregelung eine unwillkommene 
Abkehr von alten Gewobnheiten. Denn, um genügende Zutter zu beschaffen, ist es 
nötig geworden, den Dollmilchverbrauch zu beschränken und eine Neuregelung des- 
Milchverkehrs vorzuschreiben, die für viele Gegenden eine schmerzlich einpfundene Der- 
änderung in die bisherigen Lebensverbältnisse bringen wird. — Die Milch entziebt sich 
in noch viel stärkerem Maße als alle anderen NMahrungsmittel der Reglementierung. 
An unzähligen Stellen erzengt, muß sie sofortigem Verbrauch zugeführt werden, weil 
ihre Haltbarkeit von allergeringster Dauer ist. Eine Rationierung der Bevölkerung, wie 
sie bei fast allen anderen Mahrungsmitteln möglich ist, läßt sich bei der Milch nur in 
bescheidenem Umfange durchführen. Denn wegen ihres Eintagslebens sind der Mög- 
lichkeit, sie von Orten des Dberflusses an Orte des Bedarfs zu bringen, feste Grenzen 
gesetzt. Dazu kommt, daß gerade in den Wirtschaften, in denen die Milch erzeugt wird, 
eine Abgrenzung des Bedarfs äußerst schwierig und jedenfalls sehr gefährlich ist. Es 
muß alles vermieden werden, um dem Selbsterzeuger durch zu starke Beeinträchtigung 
seiner Wirtschaftshaltung die Liebe zur Sache zu nehmen. Jeder weiß, welche Mühe 
und Arbeit notwendig ist, um die Milchviehwirtschaft auf der Höhe zu halten; wie in 
den Wirtschaften alle Mitglieder des Hausstandes von früh bis spät tätig sein müssen, 
um für das Dieh zu sorgen. Würde man hier aus allzu starrem Schematismus und aus 
dem Bestreben einer Gleichmacherei herans zu einer festen Abgrenzung des Bedarfes 
schreiten, so würde als die Folge wahrscheinlich eine Schädigung der Gesamtheit er- 
reicht werden. Deshalb hat man davon abgesehen, im Gesetze dem Zedarf der Selbst- 
versorger ein festes Maß vorzuschreiben. Man darf zu unserer Landbevölkerung das 
Dertrauen haben, daß sie sich des Ernstes der Seit bewußt ist, keine Derschwendung mit 
der Milch treibt und schließlich auch um ihres eigenen Vorteils willen die Dollmilch- 
menge dem Gwecke der Allgemeinheit dienstbar macht, die sie nicht notwendig in ihrer 
Wirtschaft gebraucht. Sollten sich Mißstände an einzelnen Stellen ergeben, haben die 
lokalen Behörden die Möglichkeit, einzuschreiten. 
Was der Selbstversorger nicht für sich und seine Wirtschaft gebraucht, soll nun 
der Allgemeinheit dienen, damit der notwendige Bedarf der vollmilchberechtigten Be-
	        
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