Überführung der Kriegs= in die Friedenswirtschaft (Reichstagsbericht). 663
Beziehungen zum Ausland wieder aufnehmen und damit für die Gesamtintcressen
der Volkswirtschaft arbeiten.
In Verbindung mit diesen Dingen steht die Frage der Valuta. Wie sind die
Zahlungsmittel zu beschaffen, die es uns ermöglichen werden, aus dem Ausland die-
jenigen Rohsloffe und Halbfabrikate zu beziehen, die ersorderlich sind, um unsere In-
dustrie und unser Gewerbe wieder in Tätigkeit zu setzen und die Vorräte zu ersetzen,
die während des Krieges verbraucht worden sind? Wenn ich ferner sagte, wir hätten
unseren Barbestand an Rohstoffen liquidiert, an seine Stelle sei das bare Geld getreten,
an dessen Stelle seien dann aber wieder langftistige Kriegsanleihen geireten, so is
damit die andere Seite des Problems stizzierl, das hier zu lösen ist. Es wird sich darum
handeln, wie dieses Kapltal aus dem in Kriegsanleihen gebundenen Zustand heraus
wieder in einem Umfang flüssig gemacht werden lann, daß es möglich ist, unsere In-
dustrie wieder mit dem nötigen Betriebskapital, an Vorräten usw. auszustatten. Das
ast auch einc wichtige Frage, die mit der Ubergangswirtschaft im engsten Zusammen-
hange steht und einen wesentlichen Teil dadon bildet. Es ist eine Frage, meine Herren,
dic nicht nur mit der künftigen Regulierung des Marktes der Kriegsanleihen, sondern
mit der Frage des Marktes für fest verzinsliche Wertpapiere überhaupt in Verbindung
sicht, also mit der Frage des Kredits der Einzelstaaten, der Kommunen, der Boden-
treditanstalten, der industriellen Unternehmungen. Alle diese Fragen erfordern eine
sehr eingehende Behandlung. Der Reichsschatzsekretär sowohl wie ich stehen seit län-
gerer Zeit mil dem Reichsbankpräsidenten hierüber in engster Fühlung.
Nun, meine Herren, wenn ich versucht habe, Ihnen einen mehr oder weniger
alademischen Überblick über die Gesamtheit der Problemc zu geben, so werden Sie
damil allein nicht zufrieden sein; ein solcher Uberblick erleichtert zwar das Klarwerden
über die Größe und den Umfang der Aufgaben, aber damit allein ist natürlich nicht
geholfen. Wir werden die Aufgaben, die zu bewältigen sind, natürlich konkreter an-
fassen müssen, und da werden wir nicht nach mehr oder weniger theoretischen Gesichts-
punkten verfahren können.
Aus den btsherigen Vesprechungen über das ganze Problem haben sich im wesent-
lichen drei große praktische Fragenkomplexe herausgebildel. Der eine umfaßt
die Fragen der Arbeit mit all den Einzelheiten, von denen ich vorhin sprach, der zweite
umfaßt die Kredilfragen, und der dritte umfaßt die Fragen der Rohstoffversor-
gung. Ich glaube, daß wir nach diesen drei Richtungen praktisch werden organisieren
müssen.
Ich bin mir dabei vollkommen klar darüber, daß cine einzige Organisation gar
nicht in der Lage wäre, die Aufgaben, die hier zu bewältigen sind, auch nur einigermaßen
befriedigend zu lösen. Organisation heißt ja vor allen Dingen Arbeilsteilung, und wir
werden daher auch hier das riesige Arbeitsgebiet in verschiedene Teile, in praktische
Arbeilsgebiete, ungefähr nach der Dreizahl, von der ich eben sprach, zerlegen müssen.
Wir werden aber weiter auch zerlegen müssen, nicht nur nach Materien, sondern auch
nach den Funklionen, die auf jedem einzelnen dieser Arbeitsgebiete dem Staate und
der Volkswirtschaft obllegen. Denn darüber sind wir uns wohl auch klar: die Arbeiten
sind nur zu leisten durch Zusammenwirkung von Gesetzgebung und der in unserer Volks-
wirtschaft verfügbaren Kräfte. Es handelt sich um Problemc der Gesehgebung, der
Verwaltung und um Probleme der —, im möchie sagen, wirkschaftlich-tech-
nischen Durchführung.
Die Lösung der Problemc der Gesetzgebung und der Verwaltung ist nalürlich
nur möglich — und nach meiner Ansicht sicher möglich im Rahmen unserer gesetz-
gebenden Körperschaften und unserer staatlichen Behördenorganisation. Ein Ausbau
ist natürlich nach verschiedenen Richtungen hin erforderlich; es muß eine Anpassung
an diese Aufgaben stattfinden. Dagegen müssen für die wirtschaftlich-technische Durch-
führung die Organe neu geschaffen werden. Das sind Aufgaben, die — ich sagte das
vorhin schon — nicht cinsach während der Übergangszeit der Initiative und dem Gul-