660 5. Übergangswirtschaft.
schuß sich in Permanenz erkläre und auch nach Vertagung des Reichstags seinerseils seine
Verhandlungen weiter forlsetze.
Der Staatssekretär macht dagegen Bedenken geltend. Dic Kräfte des Reichs.
amts des Innern würden übermäßig in Anspruch genommen werden, wenn ihnen zu-
gemutet werden sollte, auch nach Schluß der Tagung des Reichstags in diesen Ausschüssen
tätig zu sein. Er stimme mit dem Vorredner dahin überein, daß die Kriegsgesellschaften
nicht unbesehen übernommen werden könnten, dagegen müßten die in ihnen täligen
Kräste auch nutzbar gemacht werden. Der Anuregung auf Heranzichung des Handels
schon bei der Übergangswirtschaft stimme er zu. Er halte eine Wiederbelebung des Handels
für eine der ersten Notwendigkeiten. Die großen Fragen der Kreditregelung gehörten
nicht zu der Aufgabe des Reichskommissars. Im übrigen sei es natürlich eine der wich-
tigsten Aufgaben der finanziellen Übergangswirtschaft, durch Abstoßung von Kriegs-
anleihen nach dem Ausland und Aufnahme neuer Aulcihen das finanzielle Gleichgewicht
wieder herzustellen.
Ein Mitglied belont, daß die Ausführungen des Staatssekretärs ihn nichl davon
überzeugt hätien, daß ein Zusammentritt dieses Ausschusses während der Vertagung
des Reichstags nicht möglich sei. Man dürse sich nicht durch die Reichsgesetzgebung vor
vollendete Tatsachen stellen lassen. Gerade bei den hier behandelten Fragen sei es nol-
wendig, daß der Reichslag jederzeit in der Lagc sei, zu wichtigen und einschneidenden
Verordnungen Stellung zu nehmen. Die Erörterung über diese geschäftsordnungsmäßige
Frage wird auf die nächste Sitzung vertagt.
Ein Miiglied des Hauses weist darauf hin, daß man den Rahmen der Ausschuß-
arbeiten zu eng begrenzen würde, wenn man dem von anderer Seile gemachten Vorschlag
folge, sich lediglich an die Arbeiien des Reichskommissariats für Übergangswirtschaft an-
zulehnen. Es sei notwendig, auch die Eingaben zu behandeln, die dem Reichslag zur
Frage für die Übergangswirtschaft zugingen und aus denen die Stellung der betroffenen
Kreiser zu den sie berührenden Fragen ersichtlich wärc.
In nder am 27. Oltober fortgesetzten Beratung des Ausschusses erläuterte der Reichs-
kommissar für Übergangswirtschaft Senator Dr. Sthamer zunächst an Hand
der Bundesratsverordnung vom 3. Augustl 1916 und der Bestimmungen vom 28. Sep-
tember 1916, beireffend den Reichskommissor für Übergangswürtschaft, die Organisation
seiner Behörde im einzelnen und hob besonders hervor, daß die Zusammensetzung des
Belrats binnen kurzer Frist zu erwarten sei. Er gab sodann einen Ulberblick über die Lage
der Dinge, wie sie sich voraussichtlich bei Friedensschluß mit Bezug auf die Bedürfnisse
der Bevölkerung an Nahrungs= und Genußmitteln und mit Bezug auf die Rohstoffver=
sorgung für die deutsche Industrie gestalten würde, wobei er die Möglichkeit einer be-
sonderen Gestaltung der Dinge durch die Friedensbedingungen ausschied. Er wies dabei
darauf hin, daß durch die Absperrung Deutschlands vom Weltverkehr eine erhebliche Ver-
schiebung der Wirtschaftsverhältnisse in Deutschland herbeigeführt sci, die mit Friedens-
schluß nicht ohne weileres beseitigt werden lönne. In erster Linie würden sich Schwierig-
kelten aus dem Stande der deutschen Valuta ergeben. Es sei unbedingt anzustreben, daß
die Verluste der deutschen Vollswirtschaft, die aus dem schlechten Stande der deutschen
Valuta während der Kriegszeit folgten, nicht fortdaucrien und zu einer dauernden Schä-
digung des Nationalvermögens führten. Er erörterte dabei im einzelnen die Gesichtspunlte,
aus denen eine Hebung der deutschen Valuta nach Friedensschluß zu erwarten sei, betonle
aber im übrigen, daß den Hauptregulator in der Valuta der deutsche Export bilde, dessen
Hebung nach Möglichleit angestrecbt werden müsse und für dessen Wiederaufnahme schon
jetzt Vorbereitungen getroffen würden.
Eine weitere Schwierigkell sah der Reichskommissar in dem Mangel genügender
Schiffsräume. Durch den Krieg sei sowohl dic feindliche wie die deutsche Schiffahrt ge-
schädigt worden, und cs würde außerdem geraume Zeit nach Friedensschluß vergehen,