Full text: Kriegsbuch.Vierter Band. (4)

662 5. Ubergangswirtschaft. 
zu befürchten sein werde. Es sei bezeichnend, daß gegenwärtig im Ausland dieselbe Be- 
sorgnis vor einer Überschwemmung mit deutschen Erzeugnissen vorhanden sei. Wichtiger 
als eine derartige Furcht vor dem ausländtschen Wettbewerb in der UÜbergangszeit sei die 
Frage der Bekämpfung des Wuchers, der sich im Kriege breitgemacht habe und der 
auch nach dem Kriege zu besürchten sei. Wenn davon gesprochen worden sei, daß man 
namentlich die Einfuhr von Fertigfabrikaten beschränken müsse, so sei damit eine sichere 
Grundlage für die Behandlung dieser Frage noch nicht gegeben, denn man müsse die 
Frage aufwerfen, was Fertigfabrikat und was Halbfabrikat sel, da diese Begriffe vielfach 
ineinander übergingen. In bezug auf die Ausfuhr nach dem Krtege sähe er nicht so pessi- 
mistisch wie andere Mitglieder, da die Valutaverhältnisse etnen Anrelz zum Export geben 
würden, und auch sonst viele Industrien beständen, die heute große Warenmengen auf. 
gestapelt hätten, die sofort für den Export reif sein würden. 
Ein Mitglied weist darauf hin, daß in bezug auf die Regelung der Valuta- 
frage nicht nur die Abstoßung der Kriegsanlethen an das neutrale Ausland und die Be- 
schränkung der Einfuhr, sondern vor allen Dingen auch die Aufnahme einer großen neuen 
Anlethe in neutralen Staaten zur Bezahlung des Ubergewichts der Rohstoffeinfuhr über 
die Ausfuhr notwendig erscheine. Man könne nicht die Beschränkung in der Einfuhr so 
lange aufrecht erhalten, bis ein Gleichgewicht der Valuta wieder hergestellt sei. Anderer- 
seits sei es noiwendig, die Valuta nicht durch Verschuldung unserer Handelsbilanz weiter 
herabzudrücken, und aus diesem Grunde sei die Aufnahme einer solchen Anleihe ein bes- 
seres Mittel, um schnell zu normalen Verhältusssen zu kommen, als lediglich die Beschrän- 
kung, obwohl er eine Beschränkung der Einfuhr von Fertigwaren für notwendig erachte 
und sich in dieser Beziehung dem Optimismus des Vorredners nicht anzuschließen ver- 
möge. 
Der Unterstaatssekretär im Reichsamt des Innern bemerkt, daß er eine 
Wuchergefahr nicht als vorhanden betrachte, sobald die normalen Verhällnisse wieder 
eingetreten seien, daß er aber zugebe, daß in der Übergangszeit der Versuch hoher Spe- 
kulationsgewinne und übermäßiger Preisstellung gemacht werden könne und aus diesem 
Grunde ein Einschreiten gegen solche möglichen Erscheinungsformen des volkswirtschaft- 
lichen Lebens ins Auge gefaßt werden müßte. Aus diesem Grunde werde sich eine Ver- 
längerung der dem Bundesrat eingeräumten Befugnis notwendig machen, und er werde 
von dieser in bezug auf die Bekämpfung unangemessener Preisstellungen denselben Ge- 
brauch machen wie während des Krieges. 
Die Frage von Anleihen im neutralen Ausland werde auch von der Reichs- 
regierung erwogen und innerhalb der Grenzen der Aufnahmefähigkeit des neutralen 
Auslandes für derartige Anleihen zu dem vorgedachten Zwecke in Angriff genommen 
werden. Wahrscheinlich werde sich auch in der Übergangszelt noch derjenige Zustand er- 
halten, daß gewisse Importwaren auch durch Goldzahlung gar nicht mehr zu erzielen 
seien, da heute ein Zustand cingetreten sei, bei dem ein Volk selbst im Besitze des größten 
Goldschatzes verhungern könne. Der Austausch vollziehe sich heute innerhalb des Rah- 
mens der Kompensation auf der Formel: Ware gegen Ware, und das würde auch wäh- 
rend der Ubergangszeit zunächst noch die Signatur der Volkswirtschaft sein. 
Ein anderes Mitglied betont die Notwendigkeit, die dem Bundesrat ertellte 
Vollmacht auch für die Zeit nach dem Kriege zu verlängern. Allerdings müsse der Wunsch 
ausgesprochen werden, daß diese Vollmacht nicht dazu führe, die Kreise von Industrie 
und Handel derart zu drangsalieren, wic es jetzt vielfach geschehen sei. Er sähe in bezug 
auf die Ausfuhrtätigkeit nach dem Kriege optimistisch. Das Ausland hungere vielfach 
auch nach deutschen Waren und in bezug auf verschiedene Industrien, z. B. die Spiel- 
warenmmdustrie, die keramische Industrie und Porzellanindustrie sei die sofortige Ausfuhr- 
möglichleit gegeben. Wir würden sogar in der Lage sein, an Stelle der bisherigen Zufuhr 
von Salpeter in Zukunft deutlsche Stickstoffe an das Ausland führen zu können. In Be- 
tracht zu ziehen sei seiner Meinung nach auch die Charterung fremder Schiffe, um die 
deutsche Zufuhr sicher zu stellen.
	        
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