Bek. beir. Verträge mit feindlichen Staatsangehörigen v. 16. Dezember 1916. 527
des Krieges erlassenen Erfüllungsverboten — durch besondere Verordnungen ihren
Angehörigen die dauernde Auflösong unbequemer Derträge erleichtert haben.
England erließ während des Krieges zunächst nur Derfahrensvorschriften, die
es den britischen Dertragsteilen ermöglichen, vor den britischen Gerichten Feststellungs-
klagen über die Einwirkung des Krieges auf laufende Derträge mit Feinden zu erheben.
In sachlicher Hinsicht konnte sich England auf die Anwendung des von altersher dort
geltenden Ausnahmerechts gegen Feinde verlassen, aus dem die Gerichte für das Gebiet
des Handels insbesondere den Grundsatz ableiten, daß Derträge, die irgendwie während
des Krieges einen Derkehr mit einem Feinde zur Folge haben, als durch den Krieg
ufgelöst zu gelten haben. Auf diesem Wege haben die englischen Gerichte in weit-
gehender Weise laufende Verträge zwischen Engländern und Deutschen auf Antrag
der englischen Hartei für nichtig erklärt. Dabei hat zur Begründung eines Urteils
zweiter Instanz, durch welches die Aichtigkeit eines Dertrages ausgesprochen wurde,
begüglich einer in dem Dertrage getroffenen Dereinbarung ein Richter unter anderem
ausgeführt, daß ihr Fortbestand dem deutschen Zezugsberechtigten nach Friedens-
schluß die Wiederaufnahme seines Handels in größerem Umfang ermöglichen und so die
Wirkung des Krieges auf den deutschen Bandel mindern würde. Die Möglichkeit einer
Auflösung im gerichtlichen Wege wurde jedoch im weiteren Derlaufe des Krieges nicht
mehr für ausreichend erachtet, vielmehr durch ein Gesetz vom Januar 1016 daneben
das Handelsamt ermächtigt, Derträge mit Feinden aufzulösen, wenn sie nach Ansicht
des Umtes gegen das öffentliche Interesse verstoßen. Schon früber hatte die australische
Gesetzgebung jeden vor Kriegsbeginn geschlossenen, noch nicht erfüllten Dertrag mit
einem Feinde für nichtig erklärt; der Aronanwalt entscheidet, ob ein Dertrag mit einem
Heinde vorliegt oder nicht.
In Frankreich steht es seit dem Dekret vom 27. September 1914 in dem Ermessen
des Hräsidenten des Givilgerichts, Verträge mit dem Feinde, deren Erfüllung noch
nicht begonnen hat, auf Antrag aufzulösen. Die französische Regierung hat überdies
inzwischen die Beschlüsse der Hariser Wirtschaftskonferenz ratisiziert, nach denen die
verbündeten Regierungen nach dem VDorgange des englischen Gesetzes vom Januar 1916
sich Maßnahmen zum Siele setzen, welche eine einfache Auflösung von Derträgen mit
dem Feinde, die den öffentlichen Interessen schädlich sind, ermöglichen.
Italien hat ein diesem Beschlusse der Wirtschaftskonferenz entsprechendes Gesetz
bereits erlassen. Es hat außerdem zu Beginn des Krieges eine Gesetzesänderung vor-
genommen, nach der sich ein Schuldner auf eine außerordentliche Erschwerung der
ihm obliegenden Leistung in gleicher Weise wie auf die Unmöglichkeit der Erfüllung
berufen kann.
Deutschland hat bisher von dem Erlasse besonderer Dorschriften über die Auf-
lösung von Derträgen mit Feinden abgeseben. Zei der Entwialung der Verhältnisse
in den feindlichen Staaten ließ sich indessen dieser Standpunkt nicht mehr aufrecht-
erhalten. Uuch in den beteiligten Hreisen ist der Wunsch nach Dergeltungsmaßnahmen
immer stärker hervorgetreten. Der Zundesrat hat daher durch die Beb. vom 16. De-
zember lo#é (RBl. 1596) dem Reichskanzler oder einer von ihm zu bezeichnenden
anderen Stelle die Befugnis gegeben, aus Gründen der Dergeltung einen Dertrag,
den ein Deutscher mit einem Angehörigen Englands, Italiens oder Frankreichs ge-
schlossen hat, auf Antrag des Deutschen für aufgelöst zu erklären. Die Auflösungserklä-
rung ist zugelassen für Maufverträge, mit Ausnahme der Börsentermingeschäfte, ferner
für Werkverträge, Seefracht= und Tharterverträge; ob der Vertrag vor oder nach dem
Ansbruche des Krieges geschlossen ist, begründet keinen Unterschied. Die Dergeltungs-
maßnahme richtet sich zunächst nur gegen England, Frankreich und Italien, doch kann
sie, wenn die Entwicklung in anderen feindlichen Ländern zu einem entsprechenden
Tingriffe nötigen sollte, durch eine Bekanntmachung des Reichskanzlers auf andere
selndliche Staaten erstreckt werden (6 6). Die Auflösungserklärung kann auf einen
Teil des Dertrags, z. B. etwa die in der Dergangenbeit fälligen gegenseitigen An-