Gesetz über den vaterländischen Hilfsdlenst v. b. Dezember 1916. 8 16. 605
Es ist ferner kein Zweifel, daß der Angestelltenausschuß die Schlichtungsstelle anrufen kann,
und daß, wo kein ständiger Angestelltenausschuß errichtet ist, dieses Recht der „Angestellten-
schaft“ zusteht. Es lag schlechterdings nicht im Sinne des Gesetzgebers, die Angestellten-
ausschüsse geringer zu bedenken als die Arbeiterausschüsse. Ebenso wie für die Arbeiter-
schaft kann auch für die „Angestelltenschaft“ eines Betriebes das Bedürfnis nach kollektiver
Regelung der Lohn= und sonstigen Arbeitsbedingungen gegeben sein, und hierfür einen
Weg zu eröffnen, hat der Gesetzgeber in den #§# 11 bis 13 eben nicht nur für Arbeiter, son-
dern auch für Angestellte beabsichtigt. Denn die Hilfsdienstpflicht trifft alle Deutschen,
und die sozialpolitischen Fortschritte des Gesetzes müssen deshalb auch allen Deutschen
zugute kommen. Hoffentlich ist die Zeit nicht mehr fern, wo der Wille des Reichsgesetz-
gebers erfüllt sein wird und in allen Betrieben, für die die reichsgesetzlichen Voraussetzungen
gegeben sind, die Arbeiter= und Angestelltenausschüsse auch wirklich ins Leben gerufen
sein werden.
3. Schiffer-Junck a. a. O. 68. In der Praxis ist die Frage aufgeworfen worden,
ob der Arbeiterausschuß befugt sei, mit einem Beistand oder Vertreter („Mundanwalt")
zu erscheinen. Hierzu ist zu sagen, daß zwar in § 22 der Verfahrensanweisung den Be-
teiligten das Recht gegeben ist, sich eines Beistandes und gegebenenfalls auch eines Ver-
treters zu bedienen. Allein diese Bestimmung ist auf die Fälle, in denen der Schlichtungs-
ausschuß als Schlichtungsstelle tätig wird, nicht anwendbar. Ein Anspruch auf Zulassung
eines Beistandes oder Vertreters besteht also nicht. Andererseits ist es aber auch dem
Vorsitzenden der Schlichtungsstelle sicherlich nicht verwehrt, eine solche Persönlichkeit zu-
zulassen. Ob dies geschehen soll, dürfte von Fall zu Fall und rein nach Zweckmäßigkeits-
und Billigkeitsrücksichten zu entscheiden sein. Auf der einen Seite ist es richtig, daß die
Einrichtung eines Arbeiterausschusses (oder Angestelltenausschusses), der aus gewählten
Vertrauensleuten der Arbeitnehmerschaft eines Betriebes besteht, auch darin ihre Bedeu-
tung findet, daß Streitigkeiten sozusagen als häusliche Angelegenheit gerade dieses Be-
triebes behandelt werden können. Andererseits könnte es aber im einzelnen Falle hart
sein, den — vielleicht zufällig wenig redegewandten Ausschußmitgliedern — zu versagen,
sich eines Beistandes, z. B. des Arbeitersekretärs, zu bedienen, der mehr wie sie das etwa
wichtige statistische oder sonstige Material beherrscht. Seine Zulassung kann unter Um-
ständen sogar die Schlichtung fördern, ebenso, wie natürlich auch die gegenteilige Befürch--
tung begründet sein kann.
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1. Schiffer-Junck a. a. O. 72. Für die gewerblichen Arbeiter, die der Landwirt-
schaft überwiesen wurden, ergibt sich folgender Rechtszustand:
à) Wenn sie freie landwirtschaftliche Arbeiter bleiben, so gilt für sie, da die Land-
wirtschaft als Urproduktion nicht unter die Gewerbeordnung fällt, das Recht
des BGB. über den Dienstvertrag, insbesondere also nicht Titel VII der Gew.;
wohl aber das preuß. Gesetz v. 24. 4. 1854, soweit sie, ohne Gesinde zu sein, in
eines der in diesem Gesetz geordneten Arbeitsverhältnisse treten.
b) Wenn sie Beschäftigung in einem gewerblichen Nebenbetriebe ihres landwirt-
schaftlichen Arbeitgebers übernehmen, hängt ihre Rechtsstellung davon ab, ob
es sich um einen landwirtschaftlichen Nebenbetrieb handelt, d. h. ob in ihm land-
wirtschaftliche Produkte verarbeitet werden, deren Verarbeitung in der Land-
wirtschaft üblich ist. Alsdann unterliegen sie dem unter a) angegebenen Rechte.
Übersteigt dagegen der Nebenbetrieb die üblichen Grenzen der Landwirtschaft,
so bleibt für die darin beschäftigten Hilfsdienstpflichtigen die Gewerbeordnung,
insbesondere Titel VII, gültig.
Tc) Wenn sie sich zufolge ausdrücklicher Vereinbarung mit dem ländlichen Arbeit-
geber als „Gesinde" verdungen haben, gilt für sie die einschlagende landcsgesetz-
liche Gesindeordnung als vertraglich vereinbart.