Full text: Das Staats- und Verwaltungsrecht der Fürstentümer Reuß älterer und jüngerer Linie.

14 Besonderer Teil. 
staatsrechtlich zum Staate in Beziehung stehenden Personen 
ist insofern unzutreffend, als damit nur die eine Seite ihrer 
Stellung im Staate gekennzeichnet wird, soweit sie nämlich 
Gegenstand der staatlichen Herrschaft sind und dem Staate 
gegenüber nur Pflichten haben. Es stehen ihnen aber auch 
Rechte gegenüber dem Staate zu, nämlich als seinen Gliedern, 
als welche sie rechtliche Ansprüche an die Staatsgewalt 
haben. Man bezeichnet deshalb die Gesamtheit der staats- 
rechtlich zu einem Staate in Beziehung stehenden Personen, 
die Gesamtheit der staatlich geeinten Menge, als das 
Staatsvolk. Dieses zerfällt in die Staatsangehörigen 
und in solche, die dem Staate nur kraft seiner Gebiets- 
hoheit verpfiichtet sind, die sich nur vorübergehend im 
Staate aufhalten. Alle Staatsvolksgenossen sind der obrig- 
keitlichen Herrschermacht des Staates unterworfen und 
darum verpflichtet, den Gesetzen.des Staates’gemäß zu leben, 
wenn sie sich nicht den auf Zuwiderhandlungen gesetzten 
Strafen aussetzen wollen. Es haben also alle Volksgenossen 
eine Pflicht zum Gehorsam gegenüber dem Staate. Anderer- 
seits haben sie aber auch eine Pflicht, dem Staate gegenüber 
Handlungen zu unterlassen, die auf die Verletzung des Staates 
abzielen, also eine Verpflichtung zur Treue gegenüber dem 
Staate. Auch eine Verletzung dieser Verpflichtung zieht 
Strafe nach sich, w. z. B. aller Hoch- und Landesverrat.]! 
Gegenüber diesen Pflichten allgemeiner Natur stehen 
die allgemeinen Rechte der Volksgenossen, deren Umfang 
durch die bestehenden Gesetze hestimmt wird. Der Genuß 
der bürgerlichen und staatsbürgerlichen ($ 9) Rechte ist 
nach dem Gesetz vom 19. Juli 1867 von dem religiösen 
Glaubensbekenntnisihres Trägers unabhängig. Insbesondere 
darf nach dem Bundesfreizügigkeitsgesetz vom 1. November 
1867 keinem Bundesangehörigen um des Glaubensbekennt- 
nisses willen der Aufenthalt, die Niederlassung, der Ge- 
werbebetrieb oder der Erwerb von Grundeigentum im 
Staatsgebiete verweigert werden. Jedem Landeseinwohner 
steht vollkommene Freiheit des Gewissens und der Reli- 
gionsübung zu; jedoch darf die Religion nicht als Vor- 
1[] Gilt auch für das Fürstentum Reuß älterer Linie.
	        
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