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Zum Schlusse sei noch erwähnt, daß der Tod einer der
beiden Parteien im Kriege keine andere Wirkung auf Antrag
und Annahme ausübt wie im Frieden.
2. Die Einwirkung auf die Erfüllung des Vertrags.
a) Clausula rebus sic stantibus.
Pacta sunt servanda, das ist der Sinn der Bestimmungen
des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Soll dieser Grundsatz aber unter
allen Umständen aufrechterhalten werden, soll ein Vertrag, der im
tiefsten Frieden geschlossen wurde, auch für Kriegszeiten unverändert
fortdauern? Das ist im allgemeinen zu bejahen. Es gibt nur
wenige Bestimmungen im Bürgerlichen Gesetzbuch, durch die bei
bloßer Veränderung der äußeren Verhältnisse ohne Rücksicht darauf,
ob ein Verschulden vorliegt oder nicht, eine einseitige Abänderung
des Vertrags erlaubt wird.
Vor dem Bürgerlichen Gesetzbuch hatten manche deutsche
Rechte den Grundsatz, daß die Verträge unter der Voraussetzung
der Fortdauer des Zustandes, wie er beim Abschluß des Vertrags
bestand, geschlossen würden. Die naturrechtliche Lehre vertrat
denselben Standpunkt. Ins Bürgerliche Gesetzbuch ist diese sog.
Clausula rebus sic stantibus nicht ausgenommen worden. In
treffender Weise hat dies das Reichsgericht!) mit folgenden Worten
gekennzeichnet: „Mit Bezug auf § 458 des Entwurfs I, dem im
wesentlichen der 9 610 BG#B. entspricht, haben die Motive zum
Entwurf 1 an einer anderen Stelle — Bd. 2 S. 199 — aus-
drücklich ausgeführt: „Den Rücktritt wegen veränderter Umstände
— clausula rebus sic stantibus — läßt der Entwurf nur in einem
Falle zu, nämlich bei dem Vertrag, durch welchen die Hingabe
eines Darlehns versprochen wird.“ Von der II. Kommission
— Prot. Bd. 1 S. 631 — wurde die Klausellehre in dem durch
*321 BG. bezeichneten Umfange und mit der dort bezeichneten
Wirkung auch auf den Fall der Verpflichtung zur Vorleistung aus
einem gegenseitigen Vertrag ausgedehnt. Die bezogenen Beratungen
hierüber und die Beratungen der II. Komm. zu § 485 Entw. 1 —
15) Ro Z. 50 S. 257, ähnl. RGZ. 60 S. 58; ebenso RGRKomm. 8 321
Anm. 3; Planck, § 157 Anm. Ga, b; Staudinger, Vorbem. zu § 305 V 2
Abs. 2 und § 157 Anm. 4 Abs. 3. A. A.: Leo Stahl in „Die sog. Clausula
rebus sic stantibus“, München 1909.