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teile erhabenen Standpunkte aus objektiv abwägende Schätzung.“ 16)
Auch hier würde oft summum ius summa iniuria werden. Bei
den jetzigen wirtschaftlichen Schwierigkeiten heißt es besonders die
Umstände des einzelnen Falles berücksichtigen. Als Leitstern dient
uns hier die Bestimmung des § 157 BGB. Der oberste Grund-
satz bei der Auslegung von Verträgen soll in der Wahrung von
Treu und Glauben gipfeln, den sittlichen Grundlagen des ganzen
Verkehrs. Der Gläubiger darf nicht begehren, was der Billigkeit
widerspricht, der Schuldner keinen Einwand erheben, der gegen
die geläuterten Rechtsanschauungen verstößt w). Und daneben soll
man als „soziales Richtmaß“ 1) die Verkehrssitte, die guten An-
schauungen des Verkehrs nicht außer acht lassen Ist z. B. ein
vermögensloser Arbeiter mit seiner Familie durch den Krieg arbeits-
los geworden und kann er am Fälligkeitstermine den Mietzins nicht
ganz zahlen, verspricht er aber dem Vermieter Ratenzahlungen und
weist ihn dieser unter der Drohung der Kündigung zurück, so ist das ein
ganz offenbarer Verstoß gegen Treu und Glauben. In so schwerer
Zeit muß eben jeder gewisse Rücksichten auf den anderen nehmen.
Es geht auch nicht an, daß sich jemand für eine dem anderen
gewährte Leistung Vermögensvorteile versprechen läßt, die auf-
fallend hoch sind. Denken wir an den Fall, daß der Großhändler
dem durch den Krieg in Zahlungsschwierigkeiten geratenen Klein-
kaufmann die Waren nur unter der Bedingung geliefert hat, daß
er den doppelten Preis dafür zahlen muß. Hier würde die Be-
stimmung des Wucher-&S 1381I BG#. eingreifen.
Nicht aber wird man § 226 BGB. im allgemeinen anwenden
können. Er verbietet die Ausübung eines Rechts, wenn diese
nur den Zweck haben kann, einem anderen Schaden zuzufügen.
Nehmen wir z. B. an, der Käufer bestehe auf der Lieferung der
bestellten Waren, für den Verkäufer wäre diese jedoch nur unter
großen eigenen Verlusten möglich. Hier würde, wie so oft, § 226
versagen, da hier nicht lediglich, um dem anderen einen Schaden
zuzufügen, das Recht auf Lieferung ausgeübt wird, sondern ganz
zweifellos auch eine in gewissen Grenzen berechtigte Rücksicht auf
das eigene Wohl. Selbstsucht aber „schützt die Bosheit“ 20.
18) Staudinger, § 242 Anm. 1 Abs. 4.
19) Endemann, 1 § 100 II 2.
20) Endemann, I1 § 85, II 4.