Full text: Der Einfluß des Krieges auf die Hauptverträge des Bürgerlichen Gesetzbuchs.

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vertrag aufrechterhalten müssen, wäre eine offenbare Unbillig— 
keitoo). 
Gegen die Zahlung des Mietzinses ist der Vermieter ver- 
pflichtet, dem Mieter den Gebrauch der Mietsache während der 
Mietzeit zu gestatten. Wie nun, wenn das Wohnhaus im Festungs- 
gebiet oder in militärisch wichtigen Gebieten liegt und die Räu- 
mung und Niederlegung von der Militärbehörde kraft des § 43 
des Festungsrayongesetzes vom 21. Dezember 1871 befohlen 
wird? Dann liegt beiderseitige unvertretbare Unmöglichkeit vor, 
die wegen ihrer unbestimmten Dauer als dauernde zu bezeichnen 
ist. Beide Teile werden frei, ohne Anspruch auf Schadensersatz 
zu haben: alle Mietverträge hören auf'). 
Hat aber der Vermieter die Unmöglichkeit verschuldet, indem 
er auf durchziehende Truppen schoß, und mußte deshalb das Haus 
geräumt werden oder wurde es in Brand gesteckt, so kann der 
Mieter Schadensersatz verlangen E 325). 
Es fragt sich nun, wie in allen diesen Fällen die Miet- 
verhältnisse an sich zu beurteilen sind. Wenn das Haus nur 
geräumt werden muß, der Mieter den Mietzins für die Zeit, wo er 
nicht im Haus wohnen darf, nicht zahlt, aber auch nicht kündigt, so geht 
der Vertrag weiter bis zu dem vereinbarten Endtermine. Wird 
jedoch das Haus zusammengeschossen, sei es als Strafe für ver- 
räterisches Handeln, sei es, weil es gerade in der Feuerlinie lag, 
und wird dann zu einer Zeit, wo die Gefahr vorüber ist, ein 
60) Durch Verordnung des Generalgouverneurs von Belgien vom 20. No- 
vember 1914, die sich inhaltlich an die Bestimmung des Code civil anschließt, 
wird gesagt: 
Der Mieter kann nach seiner Wahl das Mietverhältnis auflösen oder Her- 
absetzung der Miete verlangen, nicht nur, wenn die gemietete Sache ganz oder 
teilweise zerstört worden ist, sondern auch, wenn der Mieter durch die Kriegs- 
ereignisse verhindert wird, die Mietwohnung zu benutzen. Ohne Räcksicht auf 
den Wert des Streitgegenstandes sind die Friedensrichter für zuständig erklärt 
worden, um den vielfach mittellosen Mietern das kostspielige Verfahren vor dem 
Landgericht zu sparen. 
Diese Bestimmung wird besonders den Deutschen zugute kommen, die aus 
Belgien ausgewiesen wurden oder das Land aus begründeter Furcht vor Ver- 
folgungen verließen. 
Das Gesetz hat sein Vorbild in den Entscheidungen französischer Richter 
aus dem Jahre 1870. (Tägl. Rundschau, Nr. 575, 1. Beilage.) 
61) Ebenso Hasse, DJZ. 1914 S. 1108.
	        
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