Full text: Der Einfluß des Krieges auf die Hauptverträge des Bürgerlichen Gesetzbuchs.

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Sogar gegen diese unvoraussehbaren Wirkungen konnte sich der 
Geschäftsmann durch allgemeinlautende Kriegsklauseln schützen. Hat 
er dies aber hier nicht getan, so trifft ihn kein Verschulden; denn, 
da diese Kriegsfolgen nicht vorausgesehen werden konnten, liegt 
eine nicht zu vertretende Unmöglichkeit vor, der Verpflichtete 
wird frei. 
Anders ist die Sachlage, wenn sich der Krieg in unserem 
eigenen Lande abspieltv1), wie jetzt in Teilen Elsaß-Lothringens 
und früher Ostpreußens. In diesem Falle lassen selbst die größten 
Rohstofflager, die erforderliche Zahl der Arbeiter die Weiterführung 
der Arbeit nicht zu. Mit Brand, Plünderung, steter Bedrohung 
des Lebens wirkt hier der Krieg ganz unmittelbar auch auf die 
einzelnen Rechtsverhältnisse ein und ist ohne Zweifel als höhere 
Gewalt anzusehen. 
Kann das Offenbacher Urteil aber aus dem Grunde gerecht- 
fertigt erscheinen, daß sich der Verklagte „vis-à-vis de rien“ befindet, 
d. h. mittellos, zahlungsunfähig ist? Ist dieser Zustand ein wichtiger 
Grund zur fristlosen Entlassung? 
Nach & 71 1 Ziff. 2 HGB. kann der Handlungsgehilfe für 
sofort kündigen, wenn der Geschäftsherr das Gehalt nicht gewährt. 
Daraus ergibt sich, da die Zahlungsunfähigkeit nicht unter den 
zur sofortigen Kündigung seitens des Prinzipals berechtigenden 
wichtigen Gründen des §J 72 erwähnt ist, durch Umkehrschluß, daß 
dem Geschäftsherrn nicht das Recht zusteht, wegen Zahlungs- 
unfähigkeit fristlos zu kündigen, daß er vielmehr für sie einstehen 
muß. (Vgl. auch Kündigungsrecht im Konkurs.) 
Aus diesen Erwägungen heraus ist dem Urteil des K. 
Offenbach nicht beizustimmen. Aber ebenso einseitig und un- 
verständlich ist ein Urteil desselben Gerichts vom 6. Oktober 
1914. Einem Handlungsgehilfen war am 1. August auf Ende des 
Monats gekündigt worden. Wegen des Krieges wurde er am 
10. August plötzlich entlassen. Das Gericht erkannte für „Recht“, 
daß die Firma das Gehalt bis Ende August nicht zu zahlen braucht. 
„Es handelt sich hier nicht um eine schlechte Konjunktur, wie sie 
im normalen Verlauf der Volkswirtschaft immer einmal vorkommt, 
sondern um eine wirtschaftliche Katastrophe von ganz einzigartiger 
1) Ebenso Düringer und Sohm in ihrem Gutachten für den V. D. H.
	        
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