Full text: Der Einfluß des Krieges auf die Hauptverträge des Bürgerlichen Gesetzbuchs.

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gestellt, statt der Worte „unverschuldetes Unglück“ den Ausdruck 
„unverschuldete Krankheit“ zu setzen. Doch wurde dieser Antrag 
abgelehnt, da dadurch der Gehilfe schlechter gestellt worden wäre 
als früher. Mit unbezweifelbarer Deutlichkeit geht aus alledem 
hervor, daß schon die Gesetzgeber den Kriegsdienst nicht als Unglück 
aufgefaßt wissen wollten. 
Aber er ist auch nach den Anschauungen der Gesamtheit 
kein Unglück, sondern lediglich die Erfüllung des höchsten Staats- 
grundgesetzes. Nach Art. 57 der Reichsverfassung ist jeder Deutsche 
wehrpflichtig. Der Waffendienst ist eine staatsbürgerliche Ehren- 
pflicht. Ihr genügen zu können, wird sich jeder wahrhaft Deutsche 
zur höchsten Ehre anrechnen. Und wenn urnser oberster Kriegs- 
herr seine Mannen aufruft, um den heiligen Boden des Vater- 
landes zu schirmen, wer wollte es wagen, darin ein „Unglück“ 
zu sehen, wenn er nicht von umstürzlerischen Gedanken umstrickt 
und irregeleitet oder unter den Tönen weltbürgerlicher Friedens- 
schalmeien eingeschläfert wurde? 
Wir leben ja nicht mehr in den Zeiten, wo es die Fürsten 
sich erlaubten, ihre Landeskinder an andere Herrscher zum Kriegs- 
dienst zu verkaufen. Da hätte man ein unverschuldetes Unglück 
annehmen dürfen. Jetzt aber gilt doch auch bei uns wieder der 
alte Grundsatz der Römer: Für das Wohl des Vaterlandes zu 
sorgen, sei das höchste Gebot. Und es ist wahrlich auch un- 
verständlich, hier, wo doch alle Deutschen mehr oder minder von 
den Folgen des Krieges berührt werden, ein Sonderrecht für 
einzelne Klassen von Angestellten zu schaffenlud) 
Und es ist ganz entschieden eine einseitige Ansicht, die das 
KG. Mannheimm) in seinem Urteil vom 2. September 1914 
vertritt: „In dem vorliegenden Prozeß, wo es sich nur um 
materielle Werte, um eine Geldschuld handelt, kann doch wohl 
nur dieser wirtschaftliche Gesichtspunkt ausschlaggebend sein.“ Auch 
Oertmann steht auf diesem Standpunkt. Dagegen muß immer 
wieder betont werden, daß die Einberufung erst in allerletzter 
nuo) Ebenso: Urt. d. &. Görlitz vom 5. Oktober 1914 (G.= u. KW. XX. 
Nr. 2). 
111) Abgedr. im G.= u. KG. XX Nr. 1; ebenso Urt. vom 6. November 1914 
in G.= u. KG. XX Nr. 3 S. 97; ähnlich Oertmann und Korn im „Recht“ 
1914 S. 951.
	        
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