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sind die rohen Steine einfach mauerähnlich aufgeschichtet, zeigen keine
Spur von Feuerwirkung, lehnen sich an hohe Felsen an, oder sind
zu Kreisen geschlossen und bergen Opfergruben in ihrem heiligen
Bezirke. Denn die Schlackenwälle und Steinkreise der
Lausitz sind wohl ohne Zweifel als alte Opfer= oder geweihte Stätten
zu betrachten, in denen frühere Geschlechter ihre Götter ehrten.
Mitten unter den Waldbäumen (des Mittelbergs im Czörnebohzuge)
stoßen wir weiter auch auf zahlreiche Heidengräber. Hier finden
wir größere und kleinere Waldsteine zu einem Hügel gehäuft, unter
denen Tonkrüge mit Knochenresten und Brandasche stehen. Ebenso
werden auch aus den Sandhügeln der ebenen Lausitz Schalen und
Urnen von gebranntem Tone gehoben, die Lebende den Toten
weihten. An den erhabenen Talrändern der Bäche und Flüsse aber,
wohl auch auf denen der Höhenwellen des freien Feldes ragen in
der Lausitz noch vielfach alte Schanzen auf, die in der Regel einen
Halbkreis um das Ufer schlagen, nach außen steil, nach innen sanuft
sich böschen und wehrhafte Zufluchtsstätten verfolgter Anwohner
bildeten, wenn feindliche Scharen die Gegend durchstreiften. Streit-
äxte und Steinhämmer, bronzene Geräte und Schmucksachen, wohl
auch angebranntes Getreide, mit Asche gemischt, werden noch heute
aus diesen Wällen gegraben und deuten darauf hin, daß es hinter
ihnen das Leben ganzer Familien zu erhalten und zu verteidigen
galt. Heidengräber und Heiden (Sorben= schanzen, Stein-
kreise und Schlackenwälle sind die wichtigsten Erinnerungs-
zeichen aus längst verstricheuen Zeiten, welche diese Stätten
frommer Andacht, friedlicher Todesruhe oder blutigen
Streites bauten. -
5. Deutlicher noch als die Toten reden aber aus der aus-
gebreiteten Landschaft die lebenden Geschlechter zu uns und fordern
uns mit Recht zu einer weiteren Betrachtung auf. Dorf an Dorf
zieht sich südlich von uns die Flußtäler entlang, und stadtähnliche
Ortschaften entfalten sich an den bergigen Lehnen. Da werden
die Ackerflächen gar oft zu schmalen Streifen zusammengedrückt.
Große Fabrikanlagen greifen weit in die Fluren aus, hohe Schorn-
steine dampfen, die Spindel schnurrt, das Schiffchen saust, und Faden
schlingt sich an Faden zum bunten Gewebe. Der Flachs, den ein-
heimische oder ausländische Fluren trugen, wird gesponnen. Die Baum-
wolle, die der Süden erzeugte, wird wieder für den Süden gewebt.
Die Fasern der Jute, welche die Sonne Indiens schuf, werden zu
bunten, golddurchwirkten Stoffen und selbst das Garn einer Nesselart,
welche auch in der Lausitz gedeiht, wird zu seidenglänzenden Geweben
verdichtet. Prachtvolle Muster weiß Großschönau seinen Damast-
tüchern einzufügen. Buntgestreifte Wollenzeuge versteht Gersdorf
für den Geschmack der Europäer und Amerikaner zu liefern, und
köstliche Leinwand fertigt der fleißige Weber zu Ebersbach für Tisch
und Bett des Reichen auf seinem Handstuhle. Denn neben den
leuchtenden Fabrikpalästen der großen Weberdörfer und den