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schmucken Wohnhäusern der geschäftigen Faktore, die den Webern
das Garn liefern, steht in der Südlansitz auch manche niedere Hütte
des ärmeren Mannes. Ein kleines Gärtchen umfriedigt die Wohnung,
die oft nur ein Erdgeschoß enthält, und ans deren Strohdache kleine
Kammerfenster blicken. Die Wände des Hauses werden von Holz-
lauben (Holzsäulen, durch Bogen verbunden, welche sich über die
Fenster schlagen) umrahmt und im Winter mit dichter Moos= oder
Laubdecke umschlossen. Durch die kleinen Scheiben blickt und klingt
der Webstuhl aus dumpfer Stube. Die Kinder spulen am Rade,
Vater und Mutter schwingen den Schützen im klappernden Takte.
Der Verdienst der Leute ist oft gering, aber mit frohem Gesichte
rücken die Glieder der zahlreichen Familie an den Tisch, der
Kartosfeln und Schwarzbrot trägt. Denn in seiner einfachen Lebens-
weise ist der Lausitzer in den Oberdörfern doch zufrieden. Hat er
doch eine Ziege, oder wohl gar eine Kuh im Stalle, den mit ihm
dasselbe Strohdach schützt. Er ist auch heiter bei aller Entbehrung.
Erfreut ihn doch nach seinem Tagewerk ein Blick oder Gang auf
die Berge und in das Gefilde, erhebt ihn doch auch Gesang und
Musik!l Er ist auch offen und gerade in Gesinnung und Wort.
Blickt er doch hinaus in eine offene Landschaft und hinein in sein
trauliches Heim! In der nahen Stadt oder in der Fremde sucht
er Verdienst, in den Vereinen Bildung und in der Kirche Erbanung.
Der Süden der Lausitz ist also in den fabrikreichen „Ober-
dörfern“ der Sitz der fleißigen und genügsamen, der
heiteren und biederen, strebsamen und religiösen, deutschen
Bevölkerung geworden.
6. Der nördliche Teil der Lausitz hingegen wird vorzugsweise
von Wenden bewohnt, einem slavischen Volksstamme, dessen Gebiet
sich annähernd durch das Löbauer Wasser im Osten, den Dresden-
Görlitzer Bahnstrang im Süden und im Westen durch eine Linie
bestimmen läßt, die innerhalb des erwähnten Bergzuges nach Kamenz
läust. Demnach lehnt sich die Wendei an die mittleren Berge der
Lausitz an und umfaßt vor allen Dingen die fruchtbare Niederung.
Die Wenden sind Ackerbauer und ernten neben Roggen und Kar-
toffeln besonders Buchweizen, dessen Körner als „Grütze“ eine viel-
fache Verwendung zu Nahrungsmitteln gestatten. Die wendischen
Dörfer sind klein und eng zusammengedrängt. Die Gebände des
Gehöftes und die älteren Häuser bestehen aus Lehmfachwerk, zeigen
eine vorspringende Holzgalerie und ein niederes Strohdach. Die
Hausflur wird aus lehmiger Erde gestampft und enthält die ge-
räumige Küche. In der niederen Stube erhebt sich ein großer Kachel-
ofen, um den sich Trockenstangen und Ofenbänke ziehen. An den
Holzwänden hängen wohl Gedächtniskränze und das Bild des Sohnes,
der in einem sächsischen Regiment als Reiter dient. Die Wendin
trägt einen faltenreichen Wollenrock, eine kurze Jacke mit gebauschtem
Obcrärmel und eine bänderverzierte Spitzenhaube, unter der ein
weißes Stirnband Traner bedeutet. Eine Kette aus mehreren