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die Landwirtschaft überragt. Nicht allzuweit von der Elsterquelle
treten wir in die kleine Stadt Elstra (1½ T.) ein. Wie sie cs
versteht, die Lehm= und Tonlager der Nachbarschaft zu verwerten,
zeigen uns nicht nur die Ziegel, welche den Brennofen umstehen,
sondern vor allem die engen und weiten Röhren, bestimmt, die
Felder und Wiesen und städtischen Grundstücke zu entwässern, und
die Töpfe und Schüsseln, welche eine notwendige Ausstattung unserer
Küche bilden. Weiterhin nähern wir uns der größeren, freundlichen
Stadt Kamenz (10 T.), deren Häuser, von Baumgruppen umzogen,
die Hügelwellen ersteigen. Weithin glänzen besonders Kirche und
Rathaus der Stadt mit ihren hohen Türmen in die düstere Ebene
hinaus. Ein Tonschieferlager und ein Granitkern treten hier an
der Elster nahe aneinander. Diesem Granitfelsen verdankt unsere
Residenzstadt Dresden zum Teil die schönen Fußplatten und die
Stadt der Elster selbst ihren Namen. Denn Kamenz bedeutet
„Steinort". Welch geschäftiges Leben von jeher in der alten
Sechsstadt herrschte, verraten vor allem die Töpfereien und Tuch-
fabriken, von denen die ersteren den Ton der Umgebung formten,
während die letzteren die Wolle der Schafe verspannen, die früher
in größeren Herden die Heide belebten. Uber die Grenzen Sachsens
und Deutschlands hinaus aber ist der Name der Stadt durch den
Dichter Lessing bekannt geworden, der hier in der Familie des
Oberpfarrers geboren wurde (1729). Wie sehr Lessing schon als
Kind die Bücher liebte, geht daraus hervor, daß er sich als fünf
jähriger Knabe nur mit einem großen Haufen Bücher malen lassen
wollte. Bücher waren auch die tägliche Nahrung seines strebsamen
Geistes, als er die Fürstenschule zu Meißen und dann mehrere
deutsche Hochschulen besuchte. Als Verwalter einer großen Bücher-
sammlung (Bibliothekar zu Wolfenbüttel) ist er auch gestorben,
nachdem er alte Schriften von neuem herausgegeben und viele eigene
Bücher verfaßt hatte. Von seinen Werken werden ench zunächst nur
seine Fabeln bekannt sein, unter denen ich euch die von dem Rosse
und dem Stiere in eurem Lesebuche nenne. Wie die Stadt Kamenz
aber das Andenken ihres großen Sohnes ehrt, geht daraus hervor,
daß sie ihm im Lessinggäßchen eine Gedenktafel und im Schulhofe
ein Standbild gesetzt, daß sie ein Lessingstift gegründet, in dem
Arme und Kranke freundliche Aufnahme finden, und nach dem Dichter
auch den Turm auf dem nahe liegenden Hutberge benannt hat,
der weitschauend ist, wie der ursprüngliche Träger seines Namens.
So ist Kamenz an der Elster eine Stadt der Töpfer und
Tuchmacher, vor allem aber die Lessingstadt, die treu das
Andenken des Dichters ehrt. .
3. Ostlich von Kamenz zieht ein Wasser durch die Ebene, das
sich mit der Schwarzen Elster eint, nachdem es die Grenze Sachsens
überschritten hat. In früheren Jahrhunderten war die sumpfige
Niederung derselben reich mit Bruchwald bewachsen. Einst jagte
hier ein Ritter nach einem edlen Hirsche, verirrte sich aber bald in
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