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Windrose kreisen. Seinen naturgemäßen Ausdruck findet das Klima
unseres Landes vor allem in der Pflanzen= und Tierwelt des vater-
ländischen Bodens. Wir fanden die Rebe im sonnigen Kessel der
Elbe und die sturmzerzanste Wetterfichte auf dem Hochgipfel des
Gebirges. In der milden Ebene des Leipziger Rosentals singt die
Nachtigall, in den Tannen der Berge aber nistet der Kreuzschnabel
im unwirtlichen Winter. Welche Gegensätze sind das im kleinen
Sachsenlande! Auch die Namen einiger Berge, Täler und Orte
drücken in bezeichnender Weise die klimatischen Verhältuisse bestimmter
Gegenden aus, wenn wir Bezeichnungen wie Rauenstein und Liebe-
thal, Wolkenstein und Winterberg, Wildenau und Mildenau vernehmen.
Zuverlässiger geben freilich erst die Instrumente das Klima unseres
Landes an, mit denen wir den Wärmegrad und den Druck der Luft,
die Niederschlagsmengen und die Windrichtung bestimmen. Nach
ihnen beträgt die mittlere Jahreswärme Sachsens 7,5 0 C.; der durch-
schnittliche Barometerstand stellt sich auf 730 mm; die Regenhöhe
mißt 630 mm, und die vorherrschende Windrichtung ist die süd-
westliche. Dazu treten in unserem Vaterlande etwa 196 Regen-,
15 vollständig wolkenfreie und 35 Gewittertage in einem Jahre auf.
Zu den kältesten Orten sind nach sorgfältigen Witterungsbeobachtungen
Rehefeld und Oberwiesenthal, zu den mildesten hingegen der Dresdner
Elbkessel und die Leipziger Niederung zu rechnen.
4. Wie die Flüsse unseres Landes zwei verschiedenen Meeres-
gebieten, so gehören auch die Bewohner desselben zwei verschiedenen
Völkerfamilien an. Die Mehrzahl der Sachsen zählt zu dem dent-
schen (germanischen), die Minderzahl (etwa 50 Tausend) zu dem
wendischen Völkerkreise. In der deutschen Bevölkerung Sachsens
aber treten im Anschlusse an die einzelnen Landschaften besonders
die Bewohner des Erzgebirges, des Vogtlandes, des Pleißner und
Meißner Landes und der Lausitz als Glieder mit besonderen Stammes-
naturen hervor. Ist ja die gemütvolle Herzlichkeit besonders
dem Erzgebirger, die gerade Derbheit dem Vogtländer, der offene
Blick dem Pleißner, der praktische Sinn dem Meißner, die zu-
trauliche Biederkeit dem Lansitzer, die ausdauernde Zähig-
keit dem Wenden eigen. Das gibt in der Verbindung der einzelnen
Stämme einen tüchtigen, lebensfrischen Grundzug im Volkscharakter
der Sachsen. Auch in den religiösen Bekenntnissen zeigt die
sächsische Bevölkerung eine Spaltung, insofern zunächst der größte
Teil christlich, ein geringer Teil (gegen 10 T.) aber jüdisch ist.
Die Bekenner des christlichen Glaubens aber gehören vorzugsweise
der evangelisch-lutherischen, zum kleineren Teile hingegen (etwa 200 T.)
der katholischen Kirche an. In den Beschäftigungsformen
hat der Gewerbe= und Fabrikbetrieb die landwirtschaftliche Tätigkeit
überflügelt, obgleich die Bevölkerung der Stadt= und diejenige der
Landgemeinden je 2 Millionen beträgt. Die Gesamtzahl der
Bewohner unseres Landes beträgt über 4 Millionen, eine äußerst
hohe Zahl im Verhältnis zu seiner geringen Ansdehnung. Jeder