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aber erlosch der Silberblick auch hier, und heute stickt die Stadt
kunstvolle Linien auf schneeiges Linnen, oder klöppelt — sie ist ja der
Sitz der erzgebirgischen Musterklöppelschule geworden — zarte Spitzen
zu hohem Silberwerte. Wir aber merken sie als die zweite alt—
berühmte Silberstadt Sachsens (über 8 T.) an. Wiederholung.
5. Ein ähnkiches Schicksal wie Schneeberg hat auch Annaberg.
die dritte Silberstadt Sachsens, im Wechsel der Zeiten erfahren. Als.
sich die sogenannte „wilde Ecke“ am Südwestfuße des Schrecken-
berges sehr silberhaltig zeigte, wurde durch Herzog Georg den
Bärtigen der Grundstein der Stadt (1496) gelegt, die den geweihten
Namen der Mutter der Jungfrau Maria führen sollte."“) Die
Gruben schienen einen unerschöpflichen Reichtum an Silber zu
gewähren, das in Erzkuchen an die Bergherren verteilt oder in der
Münze der Stadt zu „Engelsgroschen"“" und „Schreckenbergern“
geprägt wurde. In diesem „silbernen Zeitalter“ entstand auch am
Anfange des 16. Jahrh. die prächtige Annenkirche der Stadt, deren
wertvolle Ausschmückung nicht bloß den Reichtum, sondern auch den
religiösen und künstlerischen Sinn der alten Bürgerschaft bekundet.
Neben dem Hauptaltare dieser Kirche standen ja die 12 Apostel
aus gediegenem Silber, und schwere silberne Kelche und Hotstienteller
ruhten auf der Altarplatte. Außer der eigentlichen Bergkirche
aber, der einzigen Sachsens, suchen wir auf dem Gottesacker nicht
weit von der Wunderlinde das Grabmal der Barbara Uttmann
auf (1 1575), an defsen Vorderseite wir lesen, daß fie als Be-
förderin des Spitzenklöppelns eine Wohltäterin des Erzgebirges
wurde, und auf dessen Rückseite wir den beherzigenswerten Spruch
finden: „Ein tätiger Geist, eine sinnige Hand, sie ziehen den Segen
ins Vaterland.“ Noch jetzt sitzen ja fleißige Mädchen und Frauen
im Erzgebirge vor dem Klöppelsack und werfen mit gewandter Hand
die kleinen Holzkegel, an denen die Fäden befestigt sind, um die
nach einem bestimmten Muster eingesteckten Nadeln. Mehr noch
fertigen sie aus Schnuren, Perlen, Garn und Seide, also aus ein-
zelnen Artikeln, die ihnen von einem „Verleger“ im Auftrage eines
Großkaufmannes überliefert werden, Schleischen und Knöpfe, Bänder
und Besatz, Fransen und Glöckchen, die dann als „Posamenten“ für
die vornehmen Kleidergeschäfte in Leipzig oder Berlin bestimmt sind.
Zu dieser Hausarbeit hat sich neuerdings auch der Fabrikbetrieb für
Knöpfe, Schnuren und Posamenten gesellt. Durch die Posamenten-
und Seidenfabrikation ist neuer Wohlstand nach Annaberg und dem
benachbarten Buchholz eingezogen. In beiden Orten sind Fach-
schulen für Fertigung der Posamenten gegründet worden. So ist
die alte Silberstadt des Erzgebirges heute zu einer welt-
bekannten Industrie und Handelsstadt (15 T.) erblüht
*) Nach Gliedern der heiligen Familie sind die vier erzgeb. Orte Annaberg
und Joachimskhal, Marienberg und Jöhstadt (Josephsstadt) genannt worden.