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an dieser Stelle eine vielumstrittene Burg gestanden hat. Heute
aber ist ein tiefer Frieden über das Raubschloß ausgegossen, und
wir schauen aus seinen Fenstern in den frischen Wald hinein, der
sich harzdufstig um die Uferhöhen schlägt. Aus der Tiefe klingt das
lebendige Ranschen des Flusses zu uns herauf, fern im Tale treiben
die Räder der (Lauenhainer) Mühle ihr wechselndes Spiel, und ab-
schließend steigt hinter ihr der Pfaffenstein auf, auf den sich der
katholische Dorfgeistliche geflüchtet haben soll, als Luthers Wort
zu Ringethal erscholl. So finden wir hier aus der Silber-
ader des Flusses, aus dem grünen Geäst der Bäume, aus
den steilen Linien der Felsen und den zerrissenen Zinnen
der Raubburg ein herrliches Talbild gewoben, in dem
sich Natur und Kunst, Sage und Geschichte anmutig einen.
5. Nachdem wir nun ein geistiges Bild von dieser Perle des
Zschopautales empfangen, lege ich ench weiter ein wirkliches Bild
aus demselben vor. Ihr seht, welch ein gewaltiger Felsenzahn hier
aus dem steinichten Bette der Zschopan ragt. Die glitzernde Fläche
des Flusses spiegelt die Bäume wieder, die kräftig den Felsenhang
ersteigen. Uber ein Steinwehr stürzen die Wasser donnernd zur
tieferen Stufe, und eine überdeckte Brücke überspannt sie auf festen
Pfeilern. Reißend zieht der Fluß an Pfeiler, Wehr und Felsenzahn
vorüber, eine gefährliche Klippe, an der früher manches Floß ge-
strandet und — wie an einer sächsischen Lorelei — von den Wellen
verschlungen worden ist. Gekrönt aber wird die stolze Felsenzacke
von einer herrlichen Burg, deren Mauern und Pfeiler, Erker und
Türme aus ihr hervorzuwachsen scheinen. Es ist, als ob der
Steinstock sich in der Burg entfalten und eine wunderbare Stein-
blüte tragen wollte. Und in der Tat ist ihr edelster Teil, die
Schloßkapelle mit Altar und Kanzel, ganz aus dem rohen Felsen
gehauen worden, der nun stolz sein edles Kleinod trägt. Die Burg
heißt Kriebstein und stammt aus der Ritterzeit (Ende des 14. Jahr-
hunderts erbaut). In ihren Sälen verwahrt sie Gemälde ritterlicher
Szenen, alte Waffenstücke und Geräte. Vor allem aber erzählt sie
uns von der Treue einer Rittersfrau, die ihren Gemahl (den Ritter
Stanpitz von Reichenstein) einst aus dem Burghofe trug, als ihr der
Markgraf Friedrich der Streitbare bei einer Belagerung großmütig
gestattet hatte, ihr Liebstes aus den Toren mitzunehmen. Diese
Tat der edlen Burgfrau verleiht der ritterlichen Felsenfeste doch die
schönste Weihe. Und so steht sie nun vor uns, auf steil-
ragendem Felsen, von der Zschopau umschäumt, von
Waldbäumen umrauscht, von Türmen geschmückt, von
Wasser umtobt, durch Frauentreue geadelt — die schönste
Ritterburg unseres Vaterlandes, die unsere Gedanken in
die Zeit der Falkenjagden und Turniere zurückträgt.
6. Doch sorgt die Zschopan in ihrem letzten Flußstück auch
dafür, daß wir uns nicht allzuweit mit unsern Gedankenträumen