130 VI. Die Preußische Verfassung.
zu machen, sofern nicht nach den bestehenden Vorschriften ver-
fahren wurde. Auch soll sie Maßregeln zur Abhilfe aller
etwa hervortretenden Mängel in der Verwaltung in Anregung
bringen. Auf Grund dieser Arbeiten prüft dann der Landtag
nachträglich die Finanzverwaltung des abgelaufenen Staatsjahres
und erteilt dem Ministerium die Entlastung (Decharge). Ein
gleiches Verfahren besteht beim Reiche. (Siehe S. 101.)
Zu c. Ohne Genehmigung der Volksvertretung kann
der Staat keine Staatsanleihen aufnehmen oder Garan-
tien übernehmen. (Art. 103.) Garantien sind Bürgschaften,
die der Staat für gemeinnützige Unternehmungen übernimmt;
so wenn beispielsweise der Staat sich verpflichtet, um einen im
öffentlichen Nutzen wünschenswerten Eisenbahnbau zu ermög-
lichen, der Privatgesellschaft, welche den Bau ausführt, für eine
bestimmte Verzinsung aufzukommen, sofern die Einnahmen der
Bahn nicht ausreichen. (Siehe z. B. S. 102.)
Die Zustimmung der Volksvertretung zu jeder Staatsanleihe
ist deshalb geboten, weil jede Staatsschuld auf dem ganzen
Lande ruht, indem für diese das ganze Staatsvermögen und
die gesamte Steuerkraft der Untertanen haftet. Eine derartige
Staatsschuld wird eine fundierte genannt; den Gegensatz bildet
die unfundierte oder sogenannte schwebende Schuld. Diese
wird zur Deckung vorübergehender Verwaltungsbedürfnisse, zu
deren Bestreitung ausreichende Mittel vorhanden, aber für den
Augenblick nicht flüssig sind, erhoben und binnen kurzer Frist (in
der Regel nach längstens einem Jahre) zurückgezahlt. Die ge-
wöhnliche und sowohl im Deutschen Reiche wie in Preußen ge-
bräuchliche Form hierfür ist die Ausgabe verzinslicher Schatz-
anweisungen mit kurzer Umlaufszeit; damit werden also zu
erwartende Staatseinnahmen vorweggenommen.
In der Finanzverwaltung Preußens hat stets muster-
gültige Ordnung und Sparsamkeit geherrscht, und es ist daher,
was die Staatsschulden betrifft, kein anderer Großstaat günstiger