188 VII. Die Verwaltung des Preußischen Staates.
halten, ohne Grund Berufung einzulegen, damit das Urteil
nicht rechtskräftig und die Zwangsvollstreckung hinausgeschoben
wird. Hiergegen gewährt das Gesetz eine Hilfe, indem in
bestimmten Fällen Urteile für vorläufig vollstreckbar er-
klärt werden, so daß die Zwangsvollstreckung daraus statt-
finden darf, obgleich sie noch nicht rechtskräftig sind. Die
amtsgerichtlichen Urteile sind fast sämtlich vorläufig voll-
streckbar. »
Ein vereinfachtes Verfahren ist das Mahnverfahren,
für das ohne Rücksicht auf die Höhe des Betrages das Amts-
gericht zuständig ist. Vermutet der Gläubiger, daß die
Zahlungsverpflichtung nicht bestritten werden wird, so kann er
ohne mündliche Verhandlung die Erlassung eines Zahlungs-
befehles an den Schuldner beantragen; dieser muß daun
innerhalb einer Woche bei Vermeidung der Zwangsvollstreckung
den Gläubiger befriedigen oder Widerspruch erheben; unter-
läßt er dies, so ergeht der Vollstreckungs befehl, durch
welchen der Zahlungsbefehl die Kraft eines vollstreckbaren
Versäumnisurteils erhält. Ist Widerspruch erhoben, so muß
der Prozeß im ordentlichen Verfahren verhandelt werden, und
zwar je nach der Höhe der Streitsumme vor dem Amtsgericht
oder dem Landgericht.
Das Verfahren vor den Landgerichten und allen
weiteren Gerichten, in denen eine Mehrzahl von Richtern (ein
Kollegium) entscheidet (Kollegialgerichte), ist von dem amts-
gerichtlichen Verfahren nur in wenigen Punkten unterschieden.
Die Parteien müssen durch Anwälte vertreten sein, daher der
Name Anwaltsprozeß; die Urteile sind in der Regel nicht
vorläufig vollstreckbar, oder die vorläufige Vollstreckbarkeit wird
davon abhängig gemacht, daß die obsiegende Partei eine
Sicherheit hinterlegt. Eine Ausnahme bildet der Urkunden-
prozeß, eine Abart dessen der Wechselprozeß ist; er dient
dazu, bei urkundlich erweisbaren Forderungen dem Gläubiger