Die Verfassung des Deutschen Reichs. 5
Art. 9. Jedes Mitglied des Bundesrates hat das Recht, im
Reichstage zu erscheinen und muß daselbst auf Verlangen jederzeit
gehört werden, um die Ansichten seiner Regierung zu vertreten, auch
dann, wenn dieselben von der Mojorität des Bundesrates nicht
adoptiert worden sind. Niemand kann gleichzeitig Mitglied des Bundes-
rates und des Reichstages sein.
Art. 10. Dem Kaiser liegt es ob, den Mitgliedern des Bundes-
rates den üblichen diplomatischen Schutz zu gewähren.
IV. Präsidium.
Art. 11. Das Präsidium des Bundes steht dem Könige von
Kreußen zu, welcher den Namen Deutscher Kaiser führt. Der
aiser hat das Reich völkerrechtlich zu vertreten, im Namen des Reichs
Krieg zu erklären und Frieden zu schließen, Bündnisse und andere
Verträge mit fremden Staaten einzugehen, Gesandte zu beglaubigen
und zu empfangen.
zur Erklärung des Krieges im Namen des Reichs ist die Zu-
stimmung des Bundesrates erforderlich, es sei denn, daß ein Angriff
auf das Bundesgebiet oder dessen Küsten erfolgt.
Insoweit die Verträge mit fremden Staaten sich auf solche Ge-
genstände beziehen, welche nach Artikel 4 in den Bereich der Reichs-
Fepgebung gehören, ist zu ihrem Abschluß die Zustimmung des
undesrates und zu ihrer Gültigkeit die Genehmigung des Reichs-
tages erforderlich.
Art. 12. Dem Kaiser steht es zu, den Bundesrat und den
Reichstag zu berufen, zu eröffnen, zu vertagen und zu schließen.
Art. 13. Die Berufung des Bundesrates und des Reichstages
findet alljährlich statt, und kann der Bundesrat zur Vorbereitung der
Arbeiten ohne den Reichstag, letzterer aber nicht ohne den Bundes-
rat berufen werden.
Art. 14. Die Berufung des Bundesrates muß erfolgen, sobald
sie von einem Drittel der Stimmenzahl verlangt wird.
Art. 15. Der Vorsitz im Bundesrate und die Leitung der Ge-
schäfte steht dem Reichskanzler zu, welcher vom Kaiser zu ernennen ist.
Der Reichskanzler kann sich durch jedes andere Mitglied des
Bundesrates vermöge schriftlicher Substitution vertreten lassen.
Art. 16. Die erforderlichen Vorlagen werden nach Maßgabe der
Beschlüsse des Bundesrates im NVamen des Kaisers an den Reichs-
tag gebracht, wo sie durch Mitglieder des Bundesrates oder durch
beson ere von letzterem zu ernennende Kommissarien vertreten werden.
Art. 17. Dem Kaiser steht die Ausfertigung und Verkündigung
der Reichsgesetze und die Ueberwachung der Ausführung derselben
u. Die Anordnungen und Verfügungen des Kaisers werden im
Namen des Reichs erlassen und bedürfen zu ihrer Gültigkeit der
Gegenzeichnung des Reichskanzlers, welcher dadurch die Verantwort-
lichkeit übernimmt.
Art. 18. Der Koaiser ernennt die Reichsbeamten, läßt dieselben für
das Reich vereidigen und verfügt erforderlichen Falles deren Entlassung.