Die Verfassung des Deutschen Reichs. 7
Art. 28. Der Reichstag beschließt nach absoluter Stimmenmehr—
heit. Zur Gültigkeit der Beschlußfassung ist die Anwesenheit der Mehr-
heit der gesetzlichen Anzahl der Mitglieder erforderlich. (Absatz 2 ist
aufgehoben.“)
Art. 29. Die Mitglieder des Reichstages sind Vertreter des ge-
samten Volkes und an Aufträge und Instruktionen nicht gebunden.
Art. 30. Kein Mitglied des Reichstages darf zu irgend einer
Zeit wegen seiner Abstimmung oder wegen der in Ausübung seines
Berufes getanen Außerungen gerichtlich oder disziplinarisch verfolgt
oder sonst außerhalb der Versammlung zur Verantwortung gezogen werden.
Art. 31. Ohne Genehmigung des Reichstages kann kein Mitglied
desselben während der Sitzungsperiode wegen einer mit Strafe be-
drohten Handlung zur Untersuchung gezogen oder verhaftet werden,
außer wenn es bei Ausübung der Tat oder im Laufe des nächst-
folgenden Tages ergriffen wird. Gleiche Genehmigung ist bei einer
Verhaftung wegen Schulden erforderlich.
Auf Verlangen des Reichstages wird jedes Strafverfahren gegen
ein Mitglied desselben und jede Untersuchungs= oder Zivilhaft für die
Dauer der Sitzungsperiode aufgehoben.
Art. 32. Die Mitglieder des Reichstages dürfen als solche keine
Besoldung beziehen. Sie erhalten eine Entschädigung nach
Maßgabe des Gesetzes.“")
VI. Zoll= und Handelswesen.
Art. 33. Deutschland bildet ein Zoll= und Handelsgebiet, um-
geben von gemeinschaftlicher Zollgrenze. Ausgeschlossen bleiben die
wegen ihrer Lage zur Einschließung in die Zollgrenze nicht geeigneten
einzelnen Gebietsteile.
Alle Gegenstände, welche im freien Verkehr eines Bundesstaates
befindlich sind, können in jeden anderen Bundesstaat eingeführt und dürfen
in letzterem einer Abgabe nur insoweit unterworfen werden, als daselbst
gleichartige inländische Erzeugnisse einer inneren Steuer unterliegen.
Art. 34. Die Hansestädte Bremen und Hamburg mit einem dem
Zweck entsprechenden Bezirke ihres oder des umliegenden Gebietes
bleiben als Freihäfen außerhalb der gemeinschaftlichen Zollgrenze, bis
sie ihren Einschluß in dieselbe beantragen.
Art. 35. Das Reich ausschließlich hat die Gesetgebung über das
gesamte Zollwesen, über die Besteuerung des im Bundesgebiete ge-
wonnenen Salzes und Tabaks, bereiteten Branntweins und Bieres
und aus Rüben oder anderen inländischen Erzeugnissen dargestellten
Zuckers und Sirups, über den gegenseitigen Schutz der in den ein-
zelnen Bundesstaaten erhobenen Verbrauchsabgaben gegen Hinter-
ziehungen, sowie über die Maßregeln, welche in den Zollausschlüssen
zur Sicherung der gemeinsamen Follgrenze erforderlich sind.
In Bayern, Württemberg und Baden bleibt die Besteuerung des
inländischen Branntweins und Bieres der Landesgesetzgebung vorbe-
*) Gesetyz vom 24. Februar 1873 (RGl. S. 45). » ·
")Geseyvom21.Mai19«.su(RGBI.S.467).DassergnnzendeGefevistvom
IleichenTaseCRGBl.S.4-58).