18 Die Verfassung des Deutschen Reichs.
Beleidigung des Bundesrates, des Reichstages, eines Mitgliedes des
Bundesrates oder des Reichstages, einer Behörde oder eines öffent-
lichen Beamten des Reichs, während dieselben in der Ausübung ihres
Berufes begriffen sind, oder in Beziehung auf ihren Beruf, durch
Wort, Schrist, Druck, Zeichen, bildliche oder andere Darstellung,
werden in den einzelnen Bundesstaaten beurteilt und bestraft nach
Maßgabe der in den letzteren bestebenden oder künftig in Wirksamkeit
tretenden Gesetze, nach welchen eine gleiche gegen den einzelnen
Bundesstaat, seine Verfassung, seine Kammern oder Stände, seine
Kammer= oder Ständemitglieder, seine Behörden und Beamten be-
gangene Handlung zu richten wäre.
Art. 75. Für diejenigen in Art. 74 bezeichneten Unternehmungen
egen das Deutsche Reich, welche, wenn gegen einen der einzelnen
undesstaaten gerichtet, als Hochverrat oder Landesverrat zu quali-
fizieren wären, ist das gemeinschaftliche Ober-Appellationsgericht der
drei Freien und Hansestädte in Lübeck die zuständige Spruchbehörde in
erster und letzter Instanz.
Die näheren Bestimmungen über die Zuständigkeit und das Ver-
fahren des Ober-Appellationsgerichts erfolgen im Wege der Reichs-
gesebgebung. Bis zum Erlasse eines Reichsgesetzes bewendet es bei
er seitherigen Zuständigkeit der Gerichte in den einzelnen Bundes-
staaten und den auf das Verfahren dieser Gerichte sich beziehenden
Bestimmungen.
Art. 76. Streitigkeiten zwischen verschiedenen Bundesstaaten,
sofern dieselben nicht privatrechtlicher Natur und daher von den kom-
etenten Gerichtsbehörden zu entscheiden sind, werden auf Anrufen
es einen Teils von dem Bundesrate erledigt.
Verfassungsstreitigkeiten in solchen Bundesstaaten, in deren Ver-
fassung nicht eine Behörde zur Entscheidung solcher Streiltigkeiten be-
stimmt ist, hat auf Anrufen eines Teiles der Bundesrat gütlich aus-
zugleichen oder, wenn das nicht gelingt, im Wege der Reichsgesetz-
gebung zur Erledigung zu bringen.
Art. 77. Wenn in einem Bundesstaate der Fall einer Justiz-
verweigerung eintritt, und auf gesetzlichen Wegen ausreichende Hilfe
nicht erlangt werden kann, so liegt dem Bundesrate ob, erwiesene,
nach der Verfassung und den bestehenden Gesetzen des betreffenden
Bundesstaates zu beurteilende Beschwerden über verweigerte oder ge-
hemmte Rechtspflege anzunehmen, und darauf die gerichtliche Hilfe
bei der Bundesregierung, die zu der Beschwerde Anlaß gegeben hat,
zu bewirken.
XIV. Allgemeine Bestimmungen.
Art. 78. Veränderungen der Verfassung erfolgen im Wege der
Gesetzgebung. Sie gelten als abgelehnt, wenn sic im Bundesrate
14 Stimmen gegen sich haben.
Diejenigen Vorschriften der Reichsverfassung, durch welche be-
stimmte Rechte einzelner Bundesstaaten in deren Verhältnis zur Ge-
amtheit sestgestellt sind, kömmen nur mit Zustimmung des berechtigten
undesstaates abgeändert werden.