28 II. Verfassung des Deutschen Reiches.
Die Gewerbe-Ordnung für den Norddeutschen Bund
vom 21. Juni 1869, welche später zum Reichsgesetz erhoben
worden ist (mit Ergänzungen neu veröffentlicht RGBl. 1900
S. 871). Sie schloß sich der freisinnigen Gesetzgebung
Preußens auf diesem Gebiete an und beseitigt die poli-
zeilichen Einengungen und sonstigen Beschränkungen des
Gewerbebetriebes. Der Betrieb eines Gewerbes ist hiernach
einem jeden gestattet, soweit nicht teils durch die Gefährlichkeit
der zum Betriebe erforderlichen Anlagen, teils durch das
Erfordernis einer besonderen Befähigung zum allgemeinen Besten
Beschränkungen geboten erscheinen. So bedürfen z. B. die
Versicherungsgesellschaften und Eisenbahnunternehmungen (siehe
später Abschnitt C unter VII 9) einer besonderen Genehmigung
(„Konzession"); ebenso unterliegt die Errichtung von Apotheken
und der Verkauf von Arzneimitteln Beschränkungen. Die
Zulassung zum Gewerbebetriebe darf in keiner Gemeinde und
bei keinem Gewerbe von dem Besitze des Bürgerrechts ab-
hängig gemacht werden.
In der Folgezeit sind einzelne Mißstände einer zu
schrankenlosen Gewerbefreiheit durch mehrfache Nachtragsgesetze
beseitigt worden. Auch berücksichtigen spätere Ergänzungen bei
den Gesellen, Lehrlingen und Fabrikarbeitern die sozialpolitischen
Aufgaben des Staates; insbesondere hat das sog. Arbeiter-
schutzgesetz vom 1. Juni 1891 (RGBl. S. 261) die Sonn-
tagsruhe gewährleistet, den weiblichen Arbeitern verstärkten
Schutz gewährt und — in Verbindung mit dem Gesetz vom
30. März 1903 (RGBl. S. 113) — die Kinderarbeit in den
gewerblichen Betrieben fast vollständig beseitigt. Ebenso ist
das Verbot der Frauenarbeit zur Nachtzeit von 1912 ab inter-
national in den meisten Kulturstaaten durchgeführt worden.
Durch das Hausarbeitsgesetz vom 20. Dezember 1911
(RGBL. S. 946) ist der Arbeiterschutz auch auf die in der
Hausindustrie beschäftigten Personen erstreckt worden.