2. Reichsgesetzgebung. 29
Freilich legen solche Beschränkungen, zumal in Verbindung
mit den übrigen sozialpolitischen Gesetzen (s. S. 38 bis 44)
den gewerblichen Unternehmern schwere Opfer auf, welche die
außerdeutsche Industrie nur in wesentlich geringerem Umfange
zu tragen hat. Die Novelle vom 26. Juli 1897 (RGBl. S. 663)
brachte seit 1900 auch dem Handwerk die langersehnte gesetz-
liche Vertretung durch die Handwerks= und Gewerbe-
tammern (mit Neuordnung des Lehrlingswesens, Meister-
titel usw.); 1913 erfolgte ihr Zusammenschluß zum Deutschen
Handwerks= und Gewerbekammertage. Ebenso ist seit 1908
der sogen. „kleine Befähigungsnachweis“ durchgeführt, dem-
zufolge in der Regel nur solche Lehrherren Lehrlinge halten
dürfen, welche die Meisterprüfung abgelegt haben.
Streitigkeiten zwischen Arbeitgebern und Arbeitern sowie
wischen den Arbeitern desselben Arbeitgebers entscheiden seit
1890 Gewerbegerichte, die mit Ausnahme des Vorsitzenden
zur Hälfte aus Arbeitgebern und Arbeitnehmern gebildet werden.
Sie wirken auf Anrufen — namentlich bei Streiks — auch
als Einigungsämter über die Bedingungen der Wiederaufnahme
der Arbeit. Vergl. das „Gewerbegerichtsgesetz“ vom 29. Sep-
tember 1901 (RGl. S. 353).
Die Fremdenpolizei und das Paßwesen sind durch
das Gesetz vom 12. Oktober 1867 über das Paßwesen (RGBl.
S. 33) geregelt; es beseitigte den früheren lästigen Paßzwang
und gestattet für das Reichsgebiet dem Inländer wie dem
Ausländer den Ein= und Ausgang, das Reisen und den Auf-
enthalt mit voller Paßfreiheit. Der Krieg hat verschärfte
Vorschriften erforderlich gemacht; die Paßpflicht ist für den
Grenzübertritt auch für Deutsche und für Ausländer beim
Aufenthalte im Reichsgebiete vorgeschrieben worden.
B. Das Maß-, Münz= und Gewichtswesen.
Auf diesen Gebieten herrschte im alten Deutschen Bunde die
größte Verwirrung; selbst der Zollverein hatte hierin die so un-
Schubart, Verfassung 26. Auflage. 3