2. Reichsgesetzgebung. 47
Preßfreiheit bei. Demgegenüber ist jede Zeitungssteuer beseitigt
und der Grundsatz durchgeführt, daß die Preßfreiheit nicht durch
vorbeugende Maßregeln, namentlich Vorprüfung (Zensur), Ge-
nehmigung, Sicherheitsbestellungen, Beschränkungen der Druckerei
und des Buchhandels, Postverbot und andere Hemmungen des
freien Verkehrs, beschränkt werden darf.
2. Das Vereinswesen betrifft das Recht der Staats-
bürger, zu gemeinsamen Zielen sich zu vereinigen. Das freie
Vereins= und Versammlungsrecht ist im Jahre 1848 als
deutsches Grundrecht anerkannt worden und hat demgemäß in
der Preußischen Verfassungsurkunde (Art. 29 u. 30) ausdrücklich
Aufnahme gefunden. Ein Reichsvereinsgesetz ist am 15. Mai 1908
in Kraft getreten (Gesetz vom 19. April 1908, RGl.
S. 151). Das neue freiheitliche Gesetz hat im wesentlichen
die Fesseln beseitigt, die für dieses Grundrecht in den
meisten deutschen Staaten noch bestanden. Alle Reichs-
angehörigen — einschließlich der Minderjährigen über
18 Jahren und der Frauen — haben hiernach das Recht, zu
Zwecken, die den Strafgesetzen nicht zuwiderlaufen, Vereine zu
bilden und sich zu versammeln. Vereinsversammlungen be-
dürfen überhaupt keiner Anmeldung. Offentliche Versammlungen
sind polizeilich anzumelden, doch genügt auch statt dessen die
Bekanntmachung in Zeitungen oder durch öffentlichen Anschlag.
Nur bei öffentlichen Versammlungen unter freiem Himmel ist
eine polizeiliche Genehmigung ersorderlich. Unpolitische Vereine,
einschließlich der gewerkschaftlichen und der rein kommunalen
Vereine, brauchen weder die Satzung noch die Mitgliederliste
der Polizei einzureichen; hierzu verpflichtet sind nur die
volitischen Vereine.
Das Recht der Behörden, die Abhaltung einer öffent-
lichen Versammlung im voraus zu untersagen (Präventiv-
verbot), ist entfallen und die Möglichkeit der Auflösung tagender
Versammlungen wesentlich begrenzt. Auch ist in öffentlichen
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