Full text: Die Verfassung und Verwaltung des Deutschen Reiches und des Preußischen Staates in gedrängter Darstellung.

52 II. Verfassung des Deutschen Reiches. 
— immerhin seltenen — Fällen nicht mittzezählt, wenn Preußen 
lediglich durch Hinzurechnung dieser Stimmen für sich die 
Mehrheit erlangt, oder wenn bei Stimmengleichheit die preußische 
Präsidialstimme den Ausschlag geben würde. Die elsaß- 
lothringischen Stimmen, die der Statthalter als Vertreter des 
Kaisers anweist, sollen somit das preußische Übergewicht nicht 
verstärken. Preußen kann also überstimmt werden. Dies ist 
auch bereits mehrfach erfolgt; so ist z. B. das Reichsgericht nach 
Leipzig gelegt worden gegen die Stimme Preußens, welches 
Berlin beantragt hatte. Diese Möglichkeit der Überstimmung 
Preußens wird indessen durch sein tatsächliches Übergewicht und 
das ihm bezw. dem Kaiser in mehreren wichtigen Beziehungen 
zustehende Widerspruchsrecht weniger wesentlich; denn 
1. nach Artikel 5 hat Preußen als Bundesoberhaupt ein 
Recht des Widerspruches, wenn eine Abänderung der bestehenden 
Einrichtungen in Frage kommt 
a) bei dem Militärwesen und der Kriegsmarine, 
b) bei dem Zollwesen und den gemeinschaftlichen Steuern, 
und Preußen den bestehenden Zustand beibehalten will; 
2. eine Abänderung der Verfassung kann ohne Zustimmung 
Preußens nicht erfolgen, weil 14 Stimmen im Bundesrate 
zur Ablehnung jeder Verfassungsänderung genügen (Art. 78) 
und Preußen über 18 Stimmen verfügt; 
3. der König von Preußen kann als Kaiser einem Be- 
schlusse des Bundesrates auf Auflösung des Reichstages die 
Zustimmung versagen (Art. 24). 
Andererseits hat jedes Mitglied des Bundesrates das 
Recht, jederzeit im Reichstage die Ansichten seiner Regierung 
zu vertreten, auch wenn diese von der Mehrheit des Bundes- 
rates nicht angenommen worden sind (Art. 9). 
Die Hauptbesugnisse des Bundesrates sind nach Artikel?7 
a) eine Teilnahme an der Gesetzgebung; 
b) eine Teilnahme an der Verwaltung.
	        
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